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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Frankfurt/M. 1794, p. 165
     
    Gerade in jenen Tagen hatten wir beim Lesen einiger Seiten unserer Diaboliker entdeckt, dass der Graf von Saint-Germain bei seinen vielen Verwandlungen auch den Namen Rackoczi geführt hatte, so jedenfalls berichtete es der preußische Gesandte am sächsischen Hof zu Dresden. Und der Landgraf von Hessen, an dessen Hof Saint-Germain angeblich gestorben war, hatte gesagt, er sei transsylvanischer Herkunft gewesen und habe sich Ragozki genannt. Hinzu kam, dass Comenius seine Pansophia (ein zweifellos rosenkreuzerisch angehauchtes Werk) einem Landgrafen (wie viele Landgrafen gab es in dieser Geschichte?) namens Ragovsky gewidmet hatte. Und schließlich, letztes Steinchen im Mosaik, war mir beim Kramen an einem Bouquinistenstand auf der Piazza Castello ein deutsches Buch über die Freimaurer in die Hände gefallen, ein anonymes Werk, aber mit einer handschriftlichen Eintragung auf dem Vorsatzblatt, derzufolge es von einem gewissen Karl Aug. Ragotgky stammte. Bedachten wir, dass Rakosky der Name des mysteriösen Fremden gewesen war, der vielleicht den Oberst Ardenti umgebracht hatte, ergab sich nun eine Möglichkeit, unseren Grafen von Saint-Germain in die Mäander des Großen Plans einzufügen.
    »Geben wir diesem Abenteurer damit nicht zu viel Macht?« fragte Diotallevi besorgt.
    »Nein, nein«, beruhigte ihn Belbo, »der muss mit rein, der gehört genauso dazu wie die Sojasoße zum chinesischen Essen. Sonst ist es nicht chinesisch. Schau dir Agliè an, der versteht was davon: hat er sich als Modell etwa Cagliostro oder Willermoz genommen? Nein, Saint-Germain ist die Quintessenz des Homo Hermeticus.«
    Pjotr Iwanowitsch Ratschkowski. Jovial, glatt, katzenhaft schmeichlerisch, intelligent und schlau, genialer Fälscher. Erst kleiner Beamter, dann in Kontakt mit revolutionären Gruppen, wird er 1879 von der Geheimpolizei verhaftet und beschuldigt, terroristischen Freunden nach einem Attentat auf General Drentel Unterschlupf gewährt zu haben. Läuft über zur Seite der Polizei und geht – schau, schau! – zu den Schwarzen Hundertschaften. 1890 entlarvt er eine Organisation in Paris, die Bomben für Attentate in Russland bastelt, und lässt zu Hause dreiundsechzig Terroristen verhaften. Zehn Jahre später stellt sich heraus, dass die Bomben von seinen eigenen Leuten gebaut worden waren.
    1887 verbreitet er den Brief eines reuigen Ex-Revolutionärs namens Iwanow, der beteuert, dass die Mehrheit der Terroristen Juden seien; 1890 dito eine »Confession par un vieillard ancien révolutionnaire«, worin die im Londoner Exil lebenden Revolutionäre beschuldigt werden, britische Agenten zu sein; 1892 dann einen falschen Text von Plechanow, in dem behauptet wird, die Führung der anarchopopulistischen Partei Narodnaja Wolja hätte jene Konfession publizieren lassen.
    1902 versucht er eine französisch-russische antisemitische Liga zu konstituieren. Dazu benutzt er eine Technik ähnlich jener der ersten Rosenkreuzer: Er behauptet, dass die Liga bereits existiere, damit sie dann jemand gründet. Aber er benutzt auch noch eine andere Technik: die raffinierte Vermengung des Falschen mit Wahrem, wobei ihm das Wahre so abträglich ist, dass niemand am Falschen zweifelt. So lässt er in Paris einen mysteriösen Appell an die Franzosen zirkulieren, der zur Unterstützung einer Russischen Patriotischen Liga mit Sitz in Charkow aufruft. Darin attackiert er sich selber als denjenigen, der die Liga zu Fall bringen wolle, und wünscht sich, dass er, Ratschkowski, seine Haltung ändere. Er beschuldigt sich selbst, sich so zwielichtiger Figuren wie Nilus zu bedienen, was zutrifft.
    Wieso lassen sich nun aber diesem Ratschkowski die Protokolle zuschreiben?
    Ratschkowskis Beschützer war der Minister Sergej Witte, ein Progressiver, der Russland zu einem modernen Land machen wollte. Wieso sich ein Progressiver des Reaktionärs Ratschkowski bediente, weiß Gott allein, aber wir waren inzwischen auf alles gefasst. Witte hatte einen politischen Gegner; einen gewissen Elie de Cyon, der ihn bereits öffentlich mit polemischen Spitzen attackiert hatte, die an gewisse Stellen der Protokolle erinnern. Aber in den Schriften von Cyon finden sich keine Ausfälle gegen die Juden, da er selbst jüdischer Abstammung war. 1897 lässt nun Ratschkowski auf Anordnung Wittes die Villa von Cyon in Territet bei Montreux durchsuchen und findet ein Pamphlet von Cyon, das nach dem Muster der Satire von Joly (oder des Romans von Sue)

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