Die historischen Romane
Kriege schüren, sich für die Aufrüstung stark machen und (das hatte mir schon Salon gesagt) den Bau von Untergrundbahnen propagieren, um die großen Städte in die Luft zu sprengen.
Generell erklären sie, dass der Zweck die Mittel rechtfertige, und nehmen sich vor, den Antisemitismus zu ermuntern, sowohl um die mittellosen Juden unter ihre Kontrolle zu bringen wie um bei den Nichtjuden ein Schuldgefühl angesichts ihrer Not zu erzeugen (teuer erkauft, meinte Diotallevi, aber wirksam). Sie versichern treuherzig: »Wir haben einen grenzenlosen Ehrgeiz, eine verzehrende Habgier, einen erbarmungslosen Rachedurst und einen glühenden Hass« (und offenbar auch einen erlesenen Masochismus, denn sie reproduzieren lustvoll genau das Klischee des bösen Juden, das bereits in der antisemitischen Presse umgeht und die Umschläge aller Ausgaben ihres Buches zieren wird), und sie beschließen, das Studium der Klassiker und der antiken Geschichte abzuschaffen.
»Mit einem Wort«, bemerkte Belbo, »diese Weisen von Zion waren ein Haufen von Deppen.«
»Machen wir keine Witze«, sagte Diotallevi. »Dieses Buch ist bitterernst genommen worden. Mich überrascht eher etwas anderes. Obwohl das Ganze als ein uralter jüdischer Plan erscheinen soll, wird immer nur auf kleine französische Vorfälle und Polemiken aus der Zeit des Fin de siècle verwiesen. Der Hinweis auf die visuelle Erziehung, die zur Verdummung der Massen diene, sieht aus wie eine Anspielung auf das Erziehungsprogramm von Léon Bourgeois, der neun Freimaurer in seine Regierung aufnahm. An einer anderen Stelle wird die Wahl von Leuten empfohlen, die sich im Skandal um den Panamakanal kompromittiert haben, und genau das war der Fall bei Emile Loubet, der 1899 zum Staatspräsidenten gewählt wurde. Der Hinweis auf die Metro verdankt sich dem Umstand, dass die rechte Presse in jenen Jahren eine Protestkampagne gegen die Compagnie du Métropolitain führte, weil diese angeblich zu viele jüdische Aktionäre hatte. Aus all diesen Gründen wird angenommen, dass der Text in Frankreich um die Jahrhundertwende kompiliert worden ist, zur Zeit der Affäre Dreyfus, um die liberale Front zu schwächen.«
»Mich beeindruckt noch etwas ganz anderes«, sagte Belbo. »Nämlich das déjà vu . Kern der Sache ist doch, dass diese sogenannten Weisen einen Plan zur Eroberung der Welt erörtern, und so etwas haben wir schon mal gehört. Probiert mal, einige Bezugnahmen auf Fakten und Fragen des letzten Jahrhunderts rauszunehmen, ersetzt die Untergründe der Pariser Metro durch die Untergründe von Provins, schreibt jedes Mal, wo Juden dasteht, Templer, und jedes Mal, wo die Weisen von Zion genannt werden, die Sechsunddreißig Unsichtbaren, geteilt in sechs Gruppen, und ... Voilà, mes amis, dies ist die Ordonation von Provins!«
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Voltaire lui-même est mort jésuite: en avoit-il le
moindre soupçon?
F. N. de Bonneville, Les Jésuites chassés de la Maçonnerie
et leur poignard brisé par les Maçons , Orient de Londres,
1788, 2, p. 74
Wir hatten alles seit Langem vor Augen und hatten es nie ganz begriffen: Sechs Jahrhunderte lang bekämpften einander sechs Gruppen, um den Plan von Provins zu realisieren, und jede von ihnen nahm den idealen Text dieses Planes, änderte das Subjekt und schrieb ihn dem Gegner zu.
Als die Rosenkreuzer in Frankreich auftauchten, verkehrten die Jesuiten den Plan ins Negative: indem sie die Rosenkreuzer diskreditierten, diskreditierten sie die Baconianer und die entstehende englische Freimaurerei.
Als die Jesuiten den Neutemplerismus der »schottischen« Freimaurerei erfanden, schrieb der Baconianer Marquis de Luchet die Verschwörung den Neutemplern zu. Die Jesuiten, die daraufhin auch die Neutempler loswerden wollten, kopierten Luchet durch Barruel, unterschoben jedoch den Plan nun der Freimaurerei insgesamt.
Gegenoffensive der Baconianer. Bei Durchsicht aller Texte der liberalen und antiklerikalen Polemik hatten wir entdeckt, dass sämtliche einschlägigen Autoren, von Michelet und Quinet bis Garibaldi und Gioberti, die Verschwörung den Jesuiten zuschrieben (vielleicht stammte die Idee von dem Templer Pascal und seinen Freunden). Populär wurde das Thema dann mit dem Juif errant von Eugène Sue und dessen Bösewicht Pater Rodin, dem Inbegriff der jesuitischen Weltverschwörung. Doch als wir bei Sue suchten, fanden wir noch weit mehr: einen Text, der aussah, als wäre er Wort für Wort – aber ein halbes Jahrhundert vorher –
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