Die historischen Romane
Christum!«
»Aber du stirbst nicht für Christum«, erwiderten sie, und er: »Aber für die Wahrheit!« Und als sie an die Stelle gelangten, die man in Florenz die Ecke des Prokonsuls nennt, rief einer, er solle Gott bitten für sie alle, und er segnete die Menge. Und bei den Fundamenten der Sankta Liperata rief einer: »Tor, der du bist, glaub doch an den Papst!« und er erwiderte: »Ihr habt aus eurem Papst einen Gott gemacht«, und fügte spöttisch hinzu: »Dabei haben euch diese eure paperi ganz schön das Fell gegerbt« (was, wie man mir erklärte, ein witziges Wortspiel im toskanischen Dialekt war, das aus den Päpsten so etwas wie Gänseriche machte). Und alle verwunderten sich, dass er scherzte auf seinem Weg in den Tod.
Bei Sankt Johannes riefen die Leute: »Rette dein Leben!« und er rief zurück: »Rettet ihr euch vor der Sünde!«; auf dem Altmarkt riefen sie: »Rette dich, rette dich!« und er erwiderte: »Rettet ihr euch vor der Hölle!«; auf dem Neumarkt schrien sie: »Bereue, bereue!« und er entgegnete: »Bereut ihr euren Wucher!« Als der Zug bei Santa Croce ankam, sah ich die Fratres seines Ordens auf der Treppe stehen, und er warf ihnen vor, sie hätten die Regel des heiligen Franz nicht befolgt, was einige nur mit einem Achselzucken quittierten; andere aber verhüllten schamhaft ihr Haupt in der Kapuze.
Als wir uns dem Tor der Gerechtigkeit näherten, riefen viele: »Widerrufe, widerrufe, geh nicht in den Tod!« und er: »Christus ist für uns in den Tod gegangen!« Und sie: »Aber du bist nicht Christus, du darfst nicht für uns sterben!« und er: »Aber ich will für ihn sterben!« Auf dem Gerichtsanger fragte ihn einer, ob er es nicht halten wolle wie ein gewisser hochgestellter Mitbruder seines Ordens, der widerrufen habe, doch Michele antwortete, jener habe nicht widerrufen. Und ich sah, dass viele im Volk ihm zustimmten und ihn bestärkten in seiner Haltung, was mir und vielen anderen zeigte, dass diese wohl seine Anhänger waren, und ängstlich rückten wir von ihnen ab.
Schließlich traten wir durch das Tor hinaus, und vor unseren Augen erhob sich der Scheiterhaufen oder das »Hüttchen«, wie die Florentiner sagten, weil die Balken in Form einer kleinen Blockhütte übereinandergeschichtet waren, und es wurde ein Kreis aus bewaffneten Reitern gebildet, damit das Volk nicht zu nahe herankam. Dann ward Michele an den Pfahl gebunden. Und wieder hörte ich einen schreien: »Was ist das nur, wofür du sterben willst?« und er antwortete: »Es ist eine Wahrheit, die in mir wohnt und die ich nur bezeugen kann, indem ich sterbe.« Das Feuer wurde entzündet, und Fra Michele, der schon das Credo gesungen hatte, stimmte nun auch das Te Deum an. Er mochte vielleicht acht Verse davon gesungen haben, da beugte er sich auf einmal nach vorn, als müsse er niesen, und fiel zu Boden, denn die Stricke waren verbrannt. Und da war er schon tot, denn lange bevor der Körper gänzlich verbrennt, stirbt man bereits an der Hitze, die einem das Herz zerspringen lässt, und an dem Rauch, der einem die Lungen füllt.
Dann brannte der Scheiterhaufen vollständig nieder wie eine Fackel, und es war ein großes Wetterleuchten am Himmel, und wäre nicht der verkohlte Körper gewesen, den man noch zwischen den glühenden Balken gewahrte, ich hätte gemeint, vor dem brennenden Dornbusch zu stehen. Und so nahe war ich dem Feuer, dass mich eine Vision überkam und mir unwillkürlich einige Worte auf die Lippen sprangen (die nun wiederkehrten, als ich die Treppe zur Bibliothek erklomm), Worte über das Entrücktsein in der Ekstase, die ich einst gelesen in einem Buche der heiligen Hildegard: »Die Flamme brennt in glänzendem Lichte, in purpurner Kraft und in feuriger Glut; durch das glänzende Licht aber leuchtet sie, durch die purpurne Kraft aber flammt sie, durch die feurige Glut aber wärmet sie.«
Ubertins Worte über die Liebe kamen mir in den Sinn. Vor das Bild des flammenumlohten Michele schob sich das Bild des Ketzers Dolcino, und vor das Bild des Ketzers Dolcino schob sich das Bild der schönen Margaretha. Und wieder stieg heiß jene seltsame Unruhe in mir auf, die mich bereits bei Ubertin in der Kirche erfasst hatte.
Ich versuchte, nicht daran zu denken, und nahm entschlossen die letzten Stufen zum Labyrinth.
Es war das erste Mal, dass ich es allein betrat, und die langen Schatten, die meine flackernde Lampe auf die Wände warf, erschreckten mich wie die Visionen der vorigen Nacht. An jeder Ecke
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