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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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fürchtete ich, wieder vor einem Spiegel zu stehen – denn dies eben ist die magische Kraft der Spiegel, dass sie dir, auch wenn du weißt, dass es lediglich Spiegel sind, trotzdem weiterhin Angst machen.
    Andererseits versuchte ich auch gar nicht erst, mich irgendwie zu orientieren, noch den Raum mit den Visionen erzeugenden Düften zu vermeiden, sondern eilte wie ein Fiebernder durch die Räume, ohne zu wissen, was ich eigentlich finden wollte. Glücklicherweise führte mein Weg mich nicht allzuweit vom Ausgangspunkt fort, denn nach kurzem Herumirren fand ich mich unversehens wieder in jenem siebeneckigen Raum, in den die Treppe mündete. Auf dem Tisch lagen einige Bücher, die ich am Vorabend hier noch nicht gesehen zu haben glaubte. Vermutlich Werke, die Malachias im Laufe des Tages aus dem Skriptorium heraufgebracht, aber noch nicht an ihren Platz zurückgestellt hatte. Ich fragte mich, ob ich weit von dem Raum mit den schweren Düften entfernt war, denn ich fühlte mich ganz benommen, vielleicht weil einige Schwaden bis hierher drangen, vielleicht aber auch infolge der wirren Bilder, die mir eben erst durch den Kopf gegangen waren. Ich beugte mich über den Tisch und schlug einen reichbemalten Folianten auf, der mir aufgrund seiner Machart aus den Klöstern des Ultima Thule zu stammen schien.
    Sofort fesselte mich auf einer Seite, auf welcher das Evangelium des Apostels Markus begann, das Bild eines Löwen. Es war ohne Zweifel ein Löwe, auch wenn ich noch niemals einen in Fleisch und Bein gesehen, und der Maler hatte seine furchterregenden Züge getreulich wiedergegeben, vielleicht inspiriert vom Anblick der Löwen in Hibernia, einem Land voller wilder Geschöpfe. So sah ich mit eigenen Augen, dass dieses Tier – ganz wie es uns der Physiologus lehrt – alle Merkmale der entsetzlichsten und der majestätischsten Wesen gleichzeitig in sich vereint. Dergestalt, dass sein Anblick sowohl das Bild des dämonischen Feindes wie das Unseres Herrn und Erlösers in mir hervorrief und ich nicht wusste, wie ich's mir deuten sollte. Und ich bebte am ganzen Leibe, sowohl aus Furcht wie aufgrund des kalten Luftzuges, der durch die Schlitze in den Wänden hereindrang.
    Der Löwe, den ich da wie gebannt betrachtete, hatte das Maul voller bleckender Zähne, und sein Haupt war geschuppt wie das einer Schlange, und der mächtige Leib, der sich auf vier Tatzen mit scharfen und wild gespreizten Krallen erhob, ähnelte in seinem Vlies jenen Teppichen, die ich später bei Kaufleuten aus dem Morgenland sah, gepanzert mit roten und smaragdgrünen Schuppen, unter denen sich, gelb wie die Pest, schreckliche und gewaltige Knochenglieder abzeichneten. Gelb war auch der gewundene Schwanz, der sich hoch über dem Rücken bis zum Kopf heraufschwang und nach einer letzten Windung in schwarzen und weißen Haarbüscheln endete.
    Tief beeindruckt von diesem Löwen (bei dessen Betrachtung ich mehr als einmal erschrocken herumgefahren war, als fürchtete ich, hinter meinem Rücken eine Bestie wie diese leibhaftig auftauchen zu sehen), entschloss ich mich endlich weiterzublättern, und alsbald fiel mein Blick, am Anfang des Evangeliums nach Matthäus, auf das Bild eines Mannes. Ich kann nicht recht sagen, warum, doch es erschreckte mich fast noch heftiger als der Löwe: Das Antlitz war das eines Mannes, doch dieser Mann war gepanzert mit einer starren Rüstung, die ihn bis zu den Füßen hinab umhüllte, und diese Rüstung war über und über mit roten und gelben Edelsteinen besetzt. Und das Antlitz, das da so rätselhaft aus einem Kranz von Rubinen und Topasen heraussah, erschien mir auf einmal (ja, so blasphemisch machte mich mein Entsetzen) wie das des geheimnisvollen Mörders, dessen ungreifbare Spur wir in diesen Tagen verfolgten. Und als ich näher hinsah, begriff ich auf einmal, warum ich das Tier und den Panzer so eng mit dem Labyrinth verband, denn beide, wie auch die anderen Figuren in diesem Buche, erhoben sich auf einem dichten Figurengeflecht von mannigfach ineinander verwobenen Labyrinthen, deren smaragdene Linien, chrysoprasene Fäden und beryllene Bänder mich allesamt an nichts anderes zu mahnen schienen als an das Ineinander von Räumen und Korridoren, in welchem ich mich befand. Ja, mein Auge verlor sich, den funkelnden Wegen auf der Buchseite folgend, wie meine Füße sich im fieberhaften Durcheilen der Räume der Bibliothek verloren hatten, und dass ich derart mein eigenes Herumirren dargestellt sah auf diesem Pergament,

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