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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Ich roch ein Gemisch aus Weinstein, Traganth und Alaun, wie es die Köche benutzen, um den gegorenen Rebensaft zu würzen. Oder es lag daran, dass man, wie ich später erfuhr, in jenen Tagen das Bier zubereitete (das sich in dieser Gegend Italiens einer gewissen Schätzung erfreute), wozu man, ähnlich wie in meiner Heimat, Sumpfmyrte, Erika und wilden Rosmarin nahm. Lauter Aromen jedenfalls, die rascher noch als meine Nase meinen Geist trunken machten.
    Und während einerseits mein Instinctus rationalis in mir rief: » Vade retro! « und mich drängte, vor jenem schluchzenden Wesen zu fliehen, da es sicher ein Sukkubus war, den der Böse vor mir erstehen ließ, trieb mich andererseits etwas in meiner Vis appetitiva unwiderstehlich voran, als wollte ich teilhaben an einem Wunder.
    So ging ich langsam auf jenen Schatten zu, bis ich im fahlen Mondlicht die Gestalt eines Weibes erkannte, die zitternd ein dunkles Bündel an ihre Brust drückte und zugleich leise weinend vor mir zurückwich.
    Gott, die Heilige Jungfrau und alle Heiligen des Paradieses mögen mir beistehen, wenn ich jetzt berichte, was mir geschah. Die Scham und die Würde meines Standes (als nunmehr greiser Mönch in diesem schönen Kloster zu Melk, einem Ort des Friedens und der beschaulichen Einkehr) raten mir frömmste Zurückhaltung an. Eigentlich dürfte ich einfach nur sagen, dass etwas Schlimmes geschah, worüber wir besser nicht weiter reden. Das würde jedenfalls mir und meinem Leser manche Verwirrung ersparen.
    Doch ich habe mir vorgenommen, die ganze Wahrheit über jene fernen Geschehnisse zu berichten, und die Wahrheit ist bekanntlich unteilbar, sie leuchtet kraft ihrer eigenen Klarheit und darf nicht verdunkelt werden durch unsere Interessen und unsere Schamhaftigkeit. Mein Problem liegt eher darin, die Sache nicht so zu schildern, wie ich sie heute sehe und im Gedächtnis habe (obwohl ich sie bis zum heutigen Tage aufs Lebhafteste im Gedächtnis habe – wobei ich offen gestanden nicht weiß, ob es die spätere Reue war, die mir Ereignisse und Gedanken so fest ins Gedächtnis eingepflanzt hat, oder die Unzulänglichkeit dieser Reue, die mich heute noch plagt und alle Einzelheiten meiner Schande wachhält in meinem betrübten Geist), sondern die Sache so zu schildern, wie ich sie damals erlebte. Was ich indes mit der Treue des guten Chronisten tun kann, denn wenn ich die Augen schließe, sehe ich alles genauestens vor mir, was ich damals tat und empfand, als hätte ich eine Schrift vor Augen, die damals geschrieben ward. Ich brauche also nur gleichsam diese Schrift zu kopieren, und möge der Erzengel Michael mir dabei Schutz gewähren. Denn zur Erbauung künftiger Leser und zur Geißelung meiner Schuld will ich nun erzählen, wie ein junger Mensch sich in den Stricken des Bösen verfangen kann, auf dass diese Stricke sichtbar und offenkundig werden und jeder, der künftig in sie gerät, sich rechtzeitig zu befreien vermag.
    Es war also eine Frau. Was sage ich: ein Mädchen. Da ich seither (und Gott sei Dank bis heute) kaum viel Umgang mit den Wesen jenes Geschlechts gehabt habe, kann ich nicht genau sagen, wie alt sie war. Ich weiß nur, dass sie jung war, fast noch ein Kind, sie mochte vielleicht sechzehn oder achtzehn Lenze zählen, vielleicht auch zwanzig, und mich rührte die menschliche Wärme, die von ihrer Gestalt ausging. Nein, diese Gestalt war keine Vision, und sie erschien mir, was immer sie sein mochte, valde bona. Vielleicht weil sie zitterte wie ein kleiner Vogel im Winter und weinte und sich vor mir fürchtete.
    So trat ich, gedenkend der Pflicht jedes guten Christen, stets hilfreich seinem Nächsten zur Seite zu stehen, mit großer Behutsamkeit näher und sagte in gutem Latein zu der zitternden Kreatur, sie brauche sich nicht zu fürchten, ich sei ihr freundlich gesonnen, jedenfalls sicher nicht feindlich, gewiss nicht so feindlich, wie sie es offenbar wähnte.
    Vielleicht war es die Sanftheit, die aus meinen Blicken strömte, jedenfalls wurde das arme Geschöpf nun etwas ruhiger und kam näher. Ich merkte, dass sie mein Latein nicht verstand, und sprach sie instinktiv in meiner Muttersprache an, also auf deutsch, aber das erschreckte sie wieder sehr, vielleicht wegen der harten Laute, die den Bewohnern dieser Gegend ungewohnt waren, vielleicht auch, weil diese Laute ihr eine andere Erfahrung, möglicherweise mit einem Landsknecht aus meiner Heimat, in Erinnerung riefen. So lächelte ich, in der Annahme, dass die Sprache der

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