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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Gewissen im Zusammenhang mit dem Tod Friedrichs hatte. Also würde Ego abwarten müssen, um zu sehen, ob jemand vor ihm, jemand, der wusste, dass er den Gradal besaß, zur Flucht ansetzte. Ego wartete also und rührte sich nicht. Und da sah er, dass auch keiner der beiden anderen sich rührte. Also hat keiner von ihnen den Gradal, dachte er, und keiner von ihnen glaubt, im mindesten verdächtig zu sein. Infolgedessen – so musste Ego schließen – bin ich es, an den der Poet denkt, und ich muss fliehen. Bestürzt fasste er nach seinem Schwert oder Dolch und setzte zu einem Schritt an. Aber da sah er, dass auch die beiden anderen dasselbe taten. Also blieb er wieder stehen in der Annahme, dass die beiden anderen sich schuldiger fühlten als er ... Genau das war es, Kyrios Niketas, was in jener Krypta geschah. Jeder der drei, jeder offensichtlich so denkend wie der, den ich Ego genannt habe, war zuerst abwartend stehen geblieben, dann hatte er einen Schritt gemacht, und dann war er wieder stehen geblieben. Ein klares Zeichen dafür, dass keiner von ihnen sicher war, den Gradal zu besitzen, aber alle drei sich etwas vorzuwerfen hatten. Der Poet begriff das sehr gut und erklärte den Dreien, was ich begriffen und dir soeben erklärt habe.«
     
    So sprach die Stimme des Poeten: »Elende, alle drei! Jeder von euch weiß, dass er schuldig ist. Ich weiß – ich habe es immer gewusst –, dass ihr alle drei versucht habt, Friedrich zu töten, und vielleicht habt ihr ihn alle drei getötet, so dass der arme Mann dreimal gestorben ist. Ich war in jener Nacht sehr früh hinausgegangen und bin als letzter zurückgekommen. Ich hatte nicht schlafen können, vielleicht hatte ich zu viel getrunken, ich habe dreimal im Hof gepinkelt und bin zwischendurch draußen geblieben, um euch nicht zu stören. Während ich draußen war, hörte ich Boron herauskommen. Er nahm die Treppe zum Erdgeschoss, und ich folgte ihm. Er ging in den Saal mit den Maschinen, trat zu jenem Zylinder, der einen luftleeren Raum produziert, und betätigte mehrere Male den Hebel. Ich verstand nicht recht, was er wollte, aber am nächsten Morgen habe ich es verstanden. Entweder hatte Ardzrouni ihm etwas anvertraut, oder er hatte es von selbst begriffen, aber offenbar war das Zimmer, in dem der Zylinder einen luftleeren Raum produzierte – jenes, in dem das Huhn erstickt war –, genau dasjenige, in dem Friedrich schlief und das Ardzrouni zu benutzen pflegte, um sich Feinde vom Hals zu schaffen, die er heuchlerisch als seine Gäste bewirtete. Du, Boron, hast jenen Hebel betätigt, bis sich im Zimmer des Kaisers eine Leere bildete oder, da du ja nicht an die Leere glaubst, wenigstens jene dicke und dichte Luft, in der, wie du wusstest, die Kerzen erlöschen und die Tiere ersticken. Friedrich spürte, dass ihm die Luft ausging, er dachte sofort an ein Gift und trank schnell das Gegengift aus dem Gradal. Aber er stürzte zu Boden, ohne sich noch zu rühren. Am nächsten Morgen warst du bereit, dir in der allgemeinen Verwirrung den Gradal zu schnappen, aber Zosimos ist dir zuvorgekommen. Du hast ihn gesehen und hast auch gesehen, wo er den Gradal versteckte. So war es dir ein leichtes, die Köpfe zu vertauschen, und im Moment des Aufbruchs hast du dir den richtigen genommen.«
    Boron war schweißüberströmt. »Poet«, sagte er, »du hast richtig gesehen, ich war in dem Raum mit der Pumpe. Das Streitgespräch mit Ardzrouni hatte mich neugierig gemacht. Ich hatte versucht, sie in Gang zu setzen, aber ich wusste nicht, ich schwöre es dir, ich wusste nicht, auf welches Zimmer sie sich auswirkte. Im übrigen war ich sicher, dass die Pumpe gar nicht funktionieren konnte. Ich habe gespielt, das ist wahr, aber ich habe wirklich nur gespielt, ohne Mordabsichten. Und außerdem, wenn ich so gehandelt hätte, wie du gesagt hast, wie erklärst du dann, dass in Friedrichs Zimmer das Holz im Kamin ganz verbrannt war? Wenn man tatsächlich einen luftleeren Raum erzeugen könnte, um jemanden durch Luftmangel umzubringen, dann würde in dieser Leere kein Feuer brennen ...«
    »Vergiss den Kamin«, sagte die Stimme des Poeten scharf, »dafür gibt es eine andere Erklärung. Mach lieber mal deinen Täuferkopf auf, wenn du so sicher bist, dass er nicht den Gradal enthält.«
    Knurrend, dass ihn auf der Stelle der Blitz erschlagen solle, wenn er je daran gedacht habe, den Gradal zu besitzen, zerbrach Boron das Siegel mit seinem Dolch, und aus dem Schrein rollte ein Schädel zu Boden,

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