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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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nicht, dass einer von diesen armen Freunden den Tod des Kaisers verursacht hat. Als ich dich hinter der Ikonostase reden hörte, ist mir das Medusenhaupt eingefallen, durch das man in Friedrichs Zimmer hören konnte, was unten in der Schnecke gemurmelt wurde. Jetzt werde ich dir sagen, was geschehen ist. Schon vor Beginn der Expedition nach Jerusalem hast du deine Ungeduld kaum bezähmen können, du wolltest auf eigene Faust zum Reich des Priesters aufbrechen, mit dem Gradal. Du hast nur auf eine günstige Gelegenheit gewartet, den Kaiser loszuwerden. Danach hättest du zwar noch uns am Hals gehabt, aber wir waren offensichtlich für dich kein Hindernis. Oder vielleicht wolltest du das tun, was Zosimos vor dir getan hat. Das weiß ich nicht. Aber ich hätte schon lange merken müssen, dass du inzwischen deine eigenen Träume verfolgtest, nur hatte die Freundschaft mir den Blick getrübt.«
    »Sprich weiter«, sagte der Poet grinsend.
    »Das tue ich. Als Solomon in Kalliupolis das Gegengift kaufte, hatte der Händler, ich erinnere mich noch gut daran, uns auch eine genau gleich aussehende Phiole mit einem sehr wirksamen Gift angeboten. Nach dem Besuch in jenem Zelt hatten wir dich im Gedränge für eine Weile aus den Augen verloren. Dann bist du wieder aufgetaucht, aber du hattest kein Geld mehr und hast behauptet, du seist bestohlen worden. In Wahrheit bist du, während wir über den Markt bummelten, rasch noch einmal dorthin zurückgekehrt und hast das Gift gekauft. Es wird dir nicht schwer gefallen sein, Solomons Phiole durch deine zu ersetzen, während der langen Reise durch das Land des Sultans von Ikonion gab es Gelegenheiten genug. Am Abend vor Friedrichs Tod warst du es dann, der ihm mit lauter Stimme riet, sich ein Gegengift zu besorgen. So hast du den guten Solomon auf die Idee gebracht, ihm seines anzubieten – also dein Gift. Für einen Augenblick musst du sehr erschrocken gewesen sein, als Kyot sich anbot, davon zu kosten, aber dann ist dir wohl eingefallen, dass diese Substanz, in kleinen Dosen eingenommen, nichts schadete, und nur zum Tod führte, wenn man alles auf einmal trank. Dass Kyot in jener Nacht ein so starkes Bedürfnis nach frischer Luft gehabt hatte, könnte daran gelegen haben, dass auch jener winzige Schluck ihm zugesetzt hatte, aber da bin ich mir nicht sicher.«
    »Und wo bist du dir sicher?« fragte der Poet immer noch grinsend.
    »Ich bin mir sicher, dass du, bevor du Boron und Kyot an Ardzrounis Maschinen herumspielen sahst, deinen Plan schon fertig im Kopf hattest. Du bist in den Saal mit der Schnecke gegangen, in der man sprechen musste, um oben in Friedrichs Zimmer gehört zu werden. Dass dieses Spiel dir gefällt, hast du ja auch heute Abend wieder bewiesen, und als ich dich dort hinter der Ikonostase sprechen hörte, fing ich an zu begreifen. Du bist an das Dionysios-Ohr getreten und hast Friedrich gerufen. Ich nehme an, du hast dich dabei für mich ausgegeben, im Vertrauen darauf, dass die Stimme im oberen Stockwerk entstellt ankam. Du hast Friedrich gesagt, wir hätten entdeckt, dass jemand Gift in sein Essen gemischt habe, womöglich hast du sogar hinzugefügt, dass einer von uns schon grässliche Schmerzen litte und dass Ardzrouni seine Häscher losgeschickt habe. Du hast ihm gesagt, er solle den Schrein öffnen und sofort das Gegengift trinken. Mein armer Vater hat dir geglaubt, hat getrunken und ist tot umgefallen.«
    »Schöne Geschichte«, sagte der Poet. »Und der Kamin?«
    »Vielleicht ist er wirklich durch die Sonnenstrahlen aus dem Spiegel angezündet worden, aber erst, als Friedrich schon tot war. Der Kamin hat nichts damit zu tun, er war kein Teil deines Plans, jeder hätte ihn anzünden können, er hat dir nur geholfen, uns zu verwirren. Du hast Friedrich getötet, und erst heute bin ich dank deiner Mithilfe darauf gekommen. Sei verflucht! Wie konntest du dieses Verbrechen begehen, diesen Vatermord an deinem Wohltäter, nur aus Ruhmsucht? Hast du dir nicht klargemacht, dass du ein weiteres Mal dabei warst, dir den Ruhm anderer Leute anzueignen, so wie du es bei meinen Gedichten getan hast?«
    »Das ist gut!« rief lachend der Boidi, der sich inzwischen von seinem Schrecken erholt hatte. »Der große Poet hat sich seine Gedichte von anderen schreiben lassen!«
    Diese Demütigung, nach den vielen Enttäuschungen jenes Tages, im Verein mit dem verzweifelten Willen, den Gradal zu besitzen, trieb den Poeten zum Äußersten. Er zog sein Schwert, schrie: »Ich bringe

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