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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Liegen, den Blick zum Himmel gerichtet, das Fernrohr lotrecht auf dem Gesicht wie Pulcinella seine Vogelnase, erinnerte er Roberto daran, dass Galilei sich wenigstens mit dieser Erfindung nicht geirrt habe und dass man es eben nur immer wieder erneut versuchen müsse. »Und darumb, mein lieber Robertus«, schloss er, »hast du mich vielleicht vergessen und meinst, ich sey eine Schildkrotten, die man fangt, indem man sie auff den Rücken legt mit dem Bauch in die Lufft? Los, halt mich abermals, hilff mir auff diesen Rand hinauff, ja, so ists recht, dem Menschen gebührt eine auffrechte Haltung.«
    Bei all diesen unglücklichen Operationen war es nun nicht etwa so, dass das Öl glatt wie Öl liegengeblieben wäre, und daher waren die beiden Experimentatoren nach einer Weile nicht nur glitschig verklebt, sondern geradezu öltriefend, um nicht zu sagen oleabundus – wenn der Kontext dem Chronisten diese Wortschöpfung erlaubt, ohne dass er als ihre Quelle angeklagt werden muss.
    Als Pater Caspar schon fast verzweifeln wollte, meinte Roberto, es sei vielleicht besser, erst das Ölbecken wieder zu leeren, dann die Schale hineinzusetzen, dann dem Pater auf den Sitz zu helfen und schließlich das Öl wieder einzufüllen, mit dessen steigendem Spiegel auch die Schale steigen würde samt dem in ihr sitzenden Sterngucker, um schließlich in der richtigen Höhe zu schwimmen.
    Gesagt, getan, so machten sie es, unter großem Lob des Meisters für den Scharfsinn des Schülers, während Mitternacht nahte. Das Ganze sah zwar nicht gerade sehr stabil aus, aber wenn Pater Caspar keine unbedachte Bewegung machte, konnte man hoffen.
    Nach einer Weile rief der Pater triumphierend: »Itzo sehe ich sie!« Dabei zuckte sein Kopf unwillkürlich nach oben, und das ziemlich schwere Fernrohr drohte aus seiner Halterung zu rutschen, er hob rasch die Hand, um es festzuhalten, durch die Armbewegung geriet die Schulter aus der Balance, und die Schale legte sich bedenklich zur Seite. Roberto ließ Schreibzeug und Uhren fahren, hielt den Pater fest, brachte die Schale langsam wieder ins Gleichgewicht und empfahl dem Astronomen, sich nicht zu rühren, sein Fernrohr nur ganz vorsichtig zu bewegen und vor allem keine Emotionen zu äußern.
    Die nächste Meldung kam in einem Flüsterton, der, verstärkt durch die Sturmhaube, dumpf wie eine Posaune aus der Unterwelt klang: »Ich sehe sie auffs neue.« Und mit einer gemessenen Bewegung sicherte der Seher das Fernrohr an seinem Brustgurt. »Oh, wunderbar! Drey Sternchen im Osten von Jupiter, eines alleyne im Westen ... Das naheste erscheinet am kleynsten, und ... warte ... ja, null Minuten und dreyssig Sekunden von Jupiter. Schreib. Itzo berührt es den Jupiter, gleich verschwindet es, halt dich bereyt, die Uhrzeit zu schreiben, wann es verschwindet ...«
    Roberto, der seinen Platz verlassen hatte, um seinem Meister zu Hilfe zu eilen, hatte die Tafel wieder zur Hand genommen, auf der er die Zeiten notieren sollte, aber er hatte sich mit dem Rücken zu den Uhren gesetzt. Er drehte sich zu rasch um, wodurch er die Pendeluhr umstieß. Der Kupferstab rutschte aus seiner Halterung, Roberto ergriff ihn und versuchte ihn wieder einzufügen, aber es gelang ihm nicht. Pater Caspar rief, er solle die Uhrzeit notieren, Roberto drehte sich zu der Uhr, und dabei stieß er mit der Feder das Tintenfass um. Rasch stellte er es wieder auf, um nicht alle Flüssigkeit zu verlieren, aber dabei warf er die Uhr um.
    »Hast du die Uhrzeit notiert? Los mit dem Perpendiculum!«, rief Pater Caspar, und Roberto antwortete: »Ich kann nicht, ich kann nicht.«
    »Wieso kanstu nit, Stümper?!« Und da er keine Antwort bekam, schrie er weiter: »Wieso kanstu nit, Pfeiffenkopf?! Hastu notiert? Hastu geschrieben? Hastu angestossen? Itzo verschwindets! Los! Looos!«
    »Ich hab's verpasst, nein, nicht verpasst, ich hab alles kaputt gemacht«, sagte Roberto. Pater Caspar nahm das Fernrohr vom Auge, spähte zur Seite, sah das Pendel zerbrochen, die Uhr umgestürzt, seinen Adlatus mit tintenbeschmierten Händen, konnte sich nicht mehr beherrschen und explodierte in ein POTZBLITZHIMMELHERRGOTTSAKRAMENT, das seinen ganzen Körper erschütterte. Mit dieser unbedachten Bewegung brachte er die Schale zum Kippen und fiel ins Öl der Segeltuchwanne. Das Fernrohr glitt ihm aus der Hand und aus der Halterung und kullerte, begünstigt durch das Stampfen des Schiffes, holterdipolter über das ganze Achterdeck, rumpelte die Stufen zum Mitteldeck hinunter,

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