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Jack Taylor liegt falsch

Jack Taylor liegt falsch

Titel: Jack Taylor liegt falsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Bruen
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D er Bub ist wieder in der Stadt. Als der Bus in Galway einfuhr, lärmten Thin Lizzie in meinem Kopf. Eins der großen Soli, abgebratzt von Gary Moore. Ich habe sie bei ihrem letzten Gig in Dublin gesehen. Ich sollte beim größten Konzert des Jahres die Massen bewachen. Phil Lynott, von Kopf bis Fuß in schwarzem Leder, bis zu den Kiemen zugekokst. Er strich über die Bühne wie Rilkes Panther. Er sollte nie wieder über eine Bühne streichen. Ich auch nicht. Sein frühzeitiger Tod kam gleichzeitig mit meinem Karriereknick. Ich war bei den Bullen gefeuert worden, weil ich einem Ministerialdirigenten aufs Maul gehauen hatte. Ich hatte das nie bereut. Hätte nur gern doller zugeschlagen. Meine Entlassung war der Anfang einer Spirale, die mich langsam abwärts in die Alkoholikerhölle führte. Ich ließ mich in Galway nieder, wurde halbherziger Privatermittler und richtete mehr Schaden an als die Verbrecher, deren Taten ich aufzuklären versucht hatte. Aus London brachte ich jetzt einen Ledermantel und eine Koks-Abhängigkeit mit zurück nach Hause.
    Ich wäre früher heimgekehrt, wenn es den alten irischen Imperativ nicht gäbe, dass man, wenn man weg ist, da auch bleiben soll. Zumindest aussehen, als hätte man es versucht. Ich weiß nicht, bei wem ich damit Eindruck zu machen versuchte. Es war lange her, seitdem ich eine Menschenseele beeindruckt hatte, mich selbst am allerwenigsten. Es grenzte an ein Wunder, was geschehen war. Mein Abschied von Galway war nüchtern vonstattengegangen. Es war eine solche Offenbarung gewesen. Der klare Kopf und die Abwesenheit der gewohnheitsmäßigen Übelkeit waren erstaunlich. Ich konnte denken, ohne mich bei jeder sich bietenden Gelegenheit vollkippen zu müssen. Lesen machte wieder so viel Spaß wie früher. Ich glaubte ernsthaft, dies wäre ein Neuanfang.
    Jetzt war ich wieder das, was man einen bewussten Trinker nennt. Wenn ich bei Bewusstsein war, trank ich. Ein Bursche, den ich auf der Kilburn High Road traf, fragte mich, ob ich Spiegel-, Pegel- oder Stützsäufer sei. Ich hatte gesagt:
    »Nö, und selber?«
    »Stützsäufer. Ich versauf meine Stütze.«
    Ich war mit einem Plan nach London gegangen. Es gibt wenig Tödlicheres als einen Alkoholiker mit Plan. Mein Plan sah so aus: Nach London, dann Wohnung in Bayswater. Möglichst nah am Park. Möglichst mit Erkerfenster. Die grauen Eichhörnchen an der Serpentine beobachten. Laut Plan würde die Frau, die ich geliebt hatte, zur Vernunft kommen und schnallen, wie sehr ich ihr fehlte. Sie würde nach London fliegen und mich irgendwie ausfindig machen. Eines schönen Tages, ein schöner Tag musste es schon sein, würde sie mich wie durch ein Wunder finden, und unser Glück wäre besiegelt. Ich brauchte nur zu warten, und schon kam sie. Oder, wenn ich lang genug wegblieb, würde ein Briefchen von ihr kommen, in dem stand, wie sehr ich ihr fehlte und ob ich sie bitte wiedernehme.
    Stattdessen kriegte ich ein Wohnschlafzimmer in Ladbroke Grove. Tröstete mich mit Wahnvorstellungen. Ich hatte mich mit Van Morrisons »Astral Weeks« entwöhnt. Das Riesenangebot an hervorragenden Songs wurde überragt von »Astral Weeks«. Machte mir weis, dass ich den Song lebte. Die Wirklichkeit kam einem Albtraum so nah wie nur möglich. Der gleichnamige Hain von Ladbroke ist jetzt eine Strecke urbanen Verfalls. Menschliche Wracks konkurrieren mit Abfall um ein Plätzchen. Ein Mix von Aromen trifft einen, sobald man sich auf die Strecke wagt. Vom unvermeidlichen Curry über Urin bis hin zu diesem durchdringenden Gestank aufgegebener Objekte.
    Als ich Galway verließ, ließ ich eine Serie von Todesfällen hinter mir. In meinem Fall war es um ein Mädchen im Backfischalter gegangen, das allem Anschein nach Selbstmord begangen hatte. Die Ermittlungen hatten zu
    drei Morden
    vier, wenn man meinen besten Freund mitzählt
    jeder Menge Herzeleid
    jeder Menge Bargeld
    und zum Exil
    geführt.
    Nicht auszudenken, wenn ich auch noch Ahnung gehabt hätte.
    Ach ja, und zusätzlich besteht die Möglichkeit, dass mein Eingreifen den Tod eines Teenagers bewirkt hat. Ich musste ziemlich mit mir ringen, um mich nicht ebenfalls auf die Liste der Opfer zu setzen. Ich konnte das Kränkste zu meiner Verteidigung anführen, was das Jahrzehnt hergab:
    »Ich habe es aber doch gut gemeint.«
    Ich ließ es bleiben.
    Meistens war ich zu besoffen gewesen, um irgendwas zu meinen.
    Als der Bus den Stadtrand erreichte, sprach ich lautlos ein Mantra:
    »Versuch, der Welt eine

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