Die historischen Romane
Rauchschwaden seiner dünnen russischen Zigarette
– Sie meinen, fragte ich, dass man nicht durch die Scheidung vom eigenen Partner in die Krise gerät, sondern durch die mögliche oder unmögliche Scheidung der dritten Person, die das Paar, dem man angehört, in die Krise gebracht hat?
Wagner starrte mich an mit der Perplexität des Laien, der zum erstenmal einem Geistesgestörten begegnet. Was ich damit sagen wolle.
Wahr ist, was immer ich damit sagen wollte, ich hatte es schlecht gesagt. Also versuchte ich, meinen Gedankengang zu konkretisieren. Ich nahm den Löffel vom Tisch und legte ihn neben die Gabel: Sehen Sie, das bin ich, der Löffel, verheiratet mit ihr, der Gabel. Und hier ist ein anderes Paar, sie, das Obstmesserchen, verheiratet mit ihm, dem großen Mackie Messer. Nun glaube ich Löffel zu leiden, weil ich meine Gabel werde verlassen müssen und es nicht möchte, ich liebe das Messerchen, aber es ist mir recht, wenn es bei seinem großen Messer bleibt. Und jetzt sagen Sie mir, Doktor Wagner, dass ich in Wahrheit deswegen leide, weil sich Messerchen nicht von Mackie Messer trennt. Ist es so?
Wagner antwortete, zu einem anderen Tischgenossen gewandt, er habe nie etwas Derartiges gesagt.
– Wie, Sie haben es nicht gesagt? Gerade eben haben Sie doch gesagt, Sie hätten nie einen gefunden, der von seiner eigenen Scheidung neurotisiert war, sondern immer nur von der des anderen.
– Kann sein, ich weiß es nicht mehr, antwortete Doktor Wagner gelangweilt.
– Und wenn Sie's gesagt haben, meinten Sie's dann nicht so, wie ich es verstanden habe?
Wagner schwieg einige Minuten lang.
Während die ganze Tischrunde wartete, ohne auch nur zu schlucken, winkte er der Bedienung, ihm Wein nachzuschenken, hielt das Glas hoch und betrachtete aufmerksam die Flüssigkeit gegen das Licht, trank einen Schluck und sprach endlich:
– Wenn Sie es so verstanden haben, dann weil Sie es so verstehen wollten.
Sprach's, drehte sich zu einer anderen Seite, sagte, es sei heiß, deutete eine Opernarie an und schwenkte dazu eine Salzstange, als dirigierte er ein Orchester, gähnte dann, konzentrierte sich auf eine Sahnetorte und bat schließlich, nach einem erneuten Anfall von Mutismus, in sein Hotel gebracht zu werden.
Die andern sahen mich an, als hätte ich ein Symposion ruiniert, aus welchem Endgültige Worte hätten hervorgehen können.
In Wahrheit hatte ich die Wahrheit sprechen hören.
Ich rief dich an. Du warst zu Hause, mit dem Andern. Ich verbrachte die Nacht schlaflos. Alles war klar: ich konnte nicht ertragen, dass du mit ihm zusammen warst. Sandra hatte nichts damit zu tun.
Es folgten sechs dramatische Monate, in denen ich pausenlos hinter dir her war, immer dicht auf den Fersen, um deine traute Zweisamkeit zu ruinieren, um dir zu sagen, dass ich dich ganz für mich allein haben wollte, um dich zu überzeugen, dass du den Andern hasstest. Du begannst mit dem Andern zu streiten, der Andere begann anspruchsvoll zu werden, eifersüchtig, er ging abends nicht mehr aus, und wenn er auf Reisen war, rief er dich zweimal täglich an, und mitten in der Nacht. Eines Abends hat er dich geohrfeigt. Du batest mich um Geld, weil du weglaufen wolltest, ich kratzte das bisschen zusammen, was ich auf der Bank hatte. Du verließest die eheliche Wohnung, gingst mit ein paar Freunden in die Berge, ohne eine Adresse zu hinterlassen. Der Andere rief mich an, verzweifelt, um mich zu fragen, ob ich vielleicht wüsste, wo du stecktest. Ich wusste es nicht, und es klang wie eine Lüge, da du ihm gesagt hattest, dass du ihn meinetwegen verließest.
Als du zurückkamst, verkündetest du mir strahlend, dass du ihm einen Abschiedsbrief geschrieben hättest. An diesem Punkt fragte ich mich, was nun zwischen mir und Sandra geschehen werde, aber du ließest mir keine Zeit zum Nachdenken. Du sagtest, du habest jemanden kennengelernt, einen Typ mit einer Narbe auf der Wange und einem sehr zigeunerhaften Appartement. Du würdest zu ihm gehen. – Liebst du mich nicht mehr? – Im Gegenteil, du bist der einzige Mann meines Lebens, aber nach dem, was geschehen ist, muss ich diese Erfahrung durchmachen, sei nicht kindisch, versuch mich zu verstehen, im Grunde habe ich meinen Mann wegen dir verlassen, lass den Leuten ihr Tempo.
– Ihr Tempo? Du sagst mir gerade, dass du mit einem anderen davongehst!
– Du bist ein Intellektueller, dazu noch ein linker, also benimm dich nicht wie ein Mafioso. Auf bald.
Ich verdanke ihm alles, dem
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