Die historischen Romane
dieses unvergleichlichen Künstlers bezeugen. Ein emsiger Ministerialbeamter, wird L. in seinen Kreisen geschätzt als höchst integre Persönlichkeit, als beispielhafter Vater und Gatte sowie als erlesener Redner.
»De Gubernatis«, erklärte Belbo, »wird sich dringend wünschen, in dieser Enzyklopädie präsent zu sein. Er hatte schon immer gesagt, dass der Ruhm der Hochberühmten nur Machenschaft sei, Ergebnis einer Verschwörung willfähriger Kritiker. Aber vor allem wird ihm aufgehen, dass er in eine Familie von Schriftstellern eingetreten ist, die zugleich Direktoren öffentlicher Ämter sind, Bankbeamte, Aristokraten, Richter. Mit einem Schlag wird er seinen Bekanntenkreis beträchtlich vergrößert haben, und wenn er künftig jemanden um einen Gefallen bitten muss, wird er wissen, an wen er sich wenden kann. Signor Garamond hat die Macht, den Commendator De Gubernatis aus der Provinz zu holen und in die höchsten Kreise zu versetzen. Gegen Ende des Abends wird Garamond ihm ins Ohr flüstern, er solle doch am nächsten Morgen einmal bei ihm vorbeikommen.«
»Und kommt er am nächsten Morgen?«
»Darauf können Sie schwören. Er wird die Nacht schlaflos verbringen, von der Größe des Adeodato Lampustri träumend.«
»Und dann?«
»Dann wird ihm Garamond am nächsten Morgen sagen: Hören Sie, gestern Abend habe ich nicht gewagt, mit Ihnen darüber zu sprechen, um die anderen nicht zu demütigen. Ah, welch ein erhabenes Werk, ich spreche gar nicht von den enthusiastischen, ich sage noch mehr, positiven Gutachten, nein, ich selber habe in eigener Person eine Nacht über diesen Seiten verbracht. Ein literaturpreiswürdiges Buch. Groß, groß ... Er wird an den Schreibtisch zurückgehen, wird die Hand auf das Manuskript legen – das inzwischen zerknittert ist, zerlesen durch die liebenden Blicke von mindestens vier Lektoren (die Manuskripte zu zerknittern ist Aufgabe der Signora Grazia) – und wird den AEK mit perplexer Miene anstarren. Was geschieht nun damit, was geschieht nun damit? wird De Gubernatis fragen, und Garamond wird sagen, dass über die Qualität des Werkes keine Sekunde lang zu diskutieren sei, aber dass es zweifellos seiner Zeit weit vorauseile und dass man, was die Auflage angehe, zweitausend nicht überschreiten werde, maximal zweitausendfünfhundert. Für De Gubernatis würden zweitausend Exemplare vollauf reichen, um alle Personen, die er kennt, zu beglücken, der AEK denkt nicht in planetarischen Dimensionen, beziehungsweise sein Planet besteht aus bekannten Gesichtern, solchen von Schulkameraden, Bankdirektoren, Kollegen im Lehrkörper seiner Schule, pensionierten Offizieren. Lauter Personen, die der AEK gerne in seine poetische Welt einführen würde, auch jene, die keinen Wert darauf legen, wie der Metzgermeister an der Ecke oder der Präfekt ... Angesichts der Gefahr, dass Garamond sich zurückziehen könnte, nachdem alle zu Hause, im Städtchen, im Büro wissen, dass er sein Manuskript einem großen Mailänder Verlag angeboten hat, überschlägt De Gubernatis seine Finanzen. Er könnte einen Kredit aufnehmen, sich die Lebensversicherung auszahlen lassen, den Bausparvertrag verkaufen, Paris ist eine Messe wert. Er bietet schüchtern an, sich an den Druckkosten zu beteiligen. Garamond zeigt sich verstört: Aber nicht doch, wo denken Sie hin, Manuzio pflegt nicht ... und dann lässt er sich breitschlagen: Top, abgemacht, Sie haben mich überzeugt, schließlich haben auch Joyce und Proust sich der harten Notwendigkeit beugen müssen, die Kosten sind soundso hoch, wir drucken erst einmal zweitausend Exemplare, aber den Vertrag machen wir über ein Maximum von zehntausend. Rechnen Sie zweihundert Freiexemplare für sich, die Sie zusenden können, wem immer Sie wollen, zweihundert gehen an die Presse, denn wir wollen eine Werbekampagne machen, als handle es sich um die Angélique der Golon, also bleiben eintausendsechshundert zu vertreiben. Auf diese, das werden Sie verstehen, haben Sie keine Rechte, aber wenn das Buch dann geht, drucken wir nach, und von da an kriegen Sie zwölf Prozent.«
Später sah ich einen Vertrag von der Art, wie ihn De Gubernatis, nun voll auf dem Poetentrip, unterschreiben würde, ohne ihn auch nur gelesen zu haben, während der Buchhalter jammerte, Garamond habe wieder einmal die Kosten zu niedrig veranschlagt. Zehn Seiten Klauseln in winziger Schrift, betreffend ausländische Übersetzungen, Nebenrechte wie Bühnenbearbeitungen, Hörspielfassungen,
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