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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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geraten vorkamen, zu einem bucklig-klumpigen Quittenmus zerdrückt, das sich ohne Halt bis zum Meer hinunter erstreckte oder, wer weiß, bis hinauf zu den Hängen rauherer und markanterer Höhen.
    Wir erreichten das Dorf, wo uns Agliè und Garamond in der Bar an der Piazza erwarteten. Dass Lorenza nicht mitgekommen war, nahm Agliè zur Kenntnis, ohne sich seine Enttäuschung anmerken zu lassen: »Unsere exquisite Freundin möchte die Geheimnisse, die ihr Wesen definieren, nicht mit andern teilen. Eine singuläre Schamhaftigkeit, die ich schätze«, sagte er. Das war alles.
    Wir fuhren durch weitere Täler und Hügel, Garamonds Mercedes voran und Belbos Renault hinterher, bis wir, als es bereits zu dämmern begann, hoch oben auf einem steilen Berg ein seltsames Bauwerk erblickten, eine Art Barockschlösschen, gelb getönt, von welchem sich Stufen den Hang herabsenkten, Terrassen, wie mir von weitem schien, mit Blumen und Bäumen in üppiger Pracht trotz der Jahreszeit.
    Als wir am Fuß des Hanges ankamen, fanden wir uns auf einem weiten Parkplatz, wo bereits viele Autos standen. »Hier halten wir«, sagte Agliè. »Den Rest gehen wir zu Fuß.«
    Die Dämmerung ging schon in Dunkelheit über. Der Anstieg lag vor uns im Licht zahlreicher Fackeln, die längs des Weges entzündet waren.
     
    Es ist seltsam, doch alles, was dann geschah, von jenem Moment an bis in die tiefe Nacht, habe ich gleichzeitig klar und verschwommen in Erinnerung. Vorgestern Abend im Periskop rief ich es mir ins Gedächtnis zurück und empfand dabei eine Art von Familienähnlichkeit zwischen den beiden Erfahrungen. Siehst du, sagte ich mir, jetzt bist du hier, in einer unnatürlichen Situation, ein bisschen betäubt vom leichten Modergeruch alten Holzes, ein bisschen argwöhnend, du befändest dich in einem Grab oder im Bauch eines Gefäßes, in dem sich eine Verwandlung vollzieht. Würdest du nur den Kopf hinausstrecken, du würdest da draußen Gegenstände, die dir vorhin noch reglos erschienen, im Halbdunkel sich bewegen sehen wie eleusinische Schatten zwischen den Dämpfen eines Zaubergebräus. So ähnlich war es auch an jenem Abend im Schloss gewesen: Die Lichter, die Überraschungen während des Aufstiegs, die Worte, die ich hörte, und später gewiss auch die Weihrauchdünste, alles tat sich zusammen, um mich glauben zu machen, ich wäre in einem Traum, aber auf seltsame Weise, so wie man dem Erwachen nahe ist, wenn man träumt, dass man träumt.
    Eigentlich dürfte ich mich an nichts erinnern. Doch ich erinnere mich an alles, als hätte ich es nicht selbst erlebt, sondern es mir von einem anderen erzählen lassen.
    Ich weiß nicht, ob das, woran ich mich mit solch konfuser Deutlichkeit erinnere, an jenem Abend wirklich geschah, oder ob ich nur wünschte, es wäre geschehen, aber sicher war es an jenem Abend, dass der Große Plan in unseren Köpfen Gestalt annahm, als Wille, jener unförmigen Erfahrung eine Form zu geben, indem wir die Phantasie, die jemand dort hatte Wirklichkeit sein lassen wollen, in phantasierte Wirklichkeit umwandelten.
    »Der Aufstieg ist rituell«, erklärte Agliè, als wir uns auf den Weg machten. »Dies hier sind hängende Gärten, die gleichen (oder beinahe), die Salomon de Caus für den Schlosspark in Heidelberg entworfen hatte – ich meine, für den pfälzischen Kurfürsten Friedrich V. im großen Jahrhundert der Rosenkreuzer. Das Licht ist schwach, doch so muss es sein, denn ahnen ist besser als sehen: Unser Gastgeber hat den Entwurf von de Caus nicht originalgetreu nachgebaut, sondern auf engeren Raum konzentriert. Der Hortus palatinus imitierte den Makrokosmos; der ihn hier nachbaute, hat nur jenen Mikrokosmos imitiert. Sehen Sie die Grotte dort, mit dem Muschelwerk à rocaille … Dekorativ, ohne Zweifel. Aber de Caus hatte jenes Emblem der Atalanta Fugiens von Michael Maier vor Augen, in dem die Koralle der Stein der Weisen ist. De Caus wusste, dass man durch die Form der Gärten die Gestirne beeinflussen kann, denn es gibt Zeichen, die durch ihre Konfiguration die Harmonie des Universums nachahmen.«
    »Wunderbar«, sagte Garamond. »Aber wie kann ein Garten die Gestirne beeinflussen?«
    »Es gibt Zeichen, die sich zueinander beugen, einander betrachten und sich umarmen, und sie zwingen zur Liebe. Sie haben keine bestimmte, determinierte Form, sie dürfen keine haben. Jedes von ihnen, je nachdem, wie es ihm sein Furor gebietet oder der Elan seines Geistes, erprobt bestimmte Kräfte, wie es mit den

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