Die Hitze der Hölle
fing sie geschickt wieder auf, und ein zerzauster Bär mit einem Äffchen auf der Schulter tanzte behäbig zu den Klängen einer schrillen Flöte. Er hörte de Molays Bemerkung über »anderes« und seufzte. Dann erhob er sich und setzte sich auf den Stuhl zur Rechten des Königs.
»Wacht endlich aus Euren Träumen auf!« zischte dieser. »Ihr könntet mich auch tatkräftiger unterstützen.«
Die Kommandanten des Templerordens wechselten ein paar Worte und schauten verstohlen zum anderen Ende der Tafel. »Er erinnert an einen Mönch«, flüsterte Branquier und betrachtete Corbetts kurzgeschnittenes schwarzes Haar, das an den Schläfen bereits ergraut war, seinen dunklen Teint und seine tiefliegenden Augen. Alle hatten die erzürnt geflüsterten Worte des Königs gehört und warteten nun auf die Antwort des geheimnisumwitterten Bevollmächtigten. Corbett stützte sich mit den Ellbogen auf den Tisch und beugte sich ganz nah zu Edward hinüber.
»Eure Hoheit«, flüsterte er. »Ihr braucht meine Hilfe nicht. Wie immer habt Ihr ein Geschick, das selbst der Teufel bewundern würde, aber warum habt Ihr...«
Der König schaute ihn an, ganz gespielte beleidigte Unschuld. »Ihr habt Euer Geld«, fuhr Corbett fort. »Die Schreiber des Schatzamtes werden einen Vertrag aufsetzen, und Ihr werdet schwören, was Euch beliebt.«
»Ihr werdet nicht nach Hause reiten«, zischte Edward boshaft. »Ich brauche Euch hier, Hugh. Würdet Ihr jetzt so gut sein und unseren Gästen erklären, was wir für Probleme haben?«
»Seigneur de Molay«, begann Corbett seine Rede, »Kommandanten des Templerordens.« Er erhob sich. »Was ich zu sagen habe, ist vertraulich. Der König hat seinen Feind, den Alten Mann der Berge, erwähnt. Ihr wißt, da Ihr alle in Outremer gelebt und gekämpft habt, daß der Alte Mann eine gefährliche Sekte von Assassinen anführt.«
Es wurde zustimmend gemurmelt.
»Diese Sekte«, sagte Corbett, »ist stolz darauf, daß ihr bisher noch niemand entkommen ist. Meere, Gebirge und Wüsten stellen kein Hindernis für sie dar. Sie folgt immer demselben Ritual: Zwei Dolche in roter Seide neben dem Kopfkissen und ein Stück Sesambrot an einem auffälligen Platz dienen als Vorwarnung für ihr Opfer.« Er hielt inne und trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte. »Seine Exzellenz, der König, haben vor zehn Tagen eine solche Warnung erhalten«, erklärte Corbett, »zwei Dolche, die das Stück Sesambrot hielten, fanden sich im Portal der St. Pauls Kathedrale in London.« Corbett nahm ein Pergament aus seiner Brieftasche. »An jedem der Dolche hing eine rote Schleife. An einem der beiden steckte außerdem noch dieses Pergament:
Wisse, daß wir kommen und gehen, wie es uns beliebt, und daß Du uns nicht daran hindern kannst.
Wisse, daß Dir all Dein Besitz abhanden kommt und schließlich uns zufällt.
Wisse, daß wir Macht über Dich besitzen und daß das so sein wird, bis wir unsere Mission erfüllt haben.«
Corbett hielt inne. Die Worte hatten bei den Tempelherren Entrüstung ausgelöst. Sie, die jetzt ihre Stühle zurückschoben, waren nicht länger die ruhigen gefühllosen Krieger. Bei der Erwähnung ihrer Erzfeinde und bei der Verlesung der unverschämten Botschaft hatten sie nach ihren Dolchen gegriffen und angefangen, finstere Drohungen auszustoßen.
Der Großmeister de Molay aber saß immer noch so da, als wäre er aus Stein gehauen.
»Wie konnte ihnen das unbemerkt gelingen?« rief Legrave. »Die Assassinen leben in den Wüsten von Syrien, nicht in Cheapside.«
Seine Worte sorgten für Heiterkeit.
»In London«, erklärte Baddlesmere, »würde ein solcher Assassine genauso auffallen wie ein Habicht zwischen Tauben!« Corbett schüttelte den Kopf. »Ihr habt Sir Amaury de Craon erwähnt? Es stimmt, daß er hier ist. Er nimmt an den Verhandlungen über die Eheschließung von Philipps Tochter teil.« Corbett hielt inne, um sich seine Worte ganz genau zu überlegen. »Aber gestern überbrachte de Craon auch Nachrichten aus Frankreich. Eine ähnliche Botschaft ist ebenfalls an das Portal von Saint Denis geheftet worden. Wenig später versuchte ein unbekannter Bogenschütze Philipp zu töten, während dieser im Bois de Boulogne jagte.«
Im Refektorium war es ganz still geworden. Alle Augen waren auf Corbett gerichtet.
»Sir Hugh, Ihr habt unsere Frage immer noch nicht beantwortet«, sagte de Molay leise. »Wie konnte einer dieser Assassinen unbemerkt durch die Straßen von Paris und London
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