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Die Hitzkammer

Die Hitzkammer

Titel: Die Hitzkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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war fort.
    Doch halt, was war das? Er blinzelte. Da saß Gesseler ja vor der Hitzkammer. Nur eine Armeslänge entfernt! Hatte der Teufel ihn nicht bemerkt? Ausgeschlossen. Wahrscheinlich hatte er ihn untersucht und war zu dem Schluss gekommen, dass er keine Gefahr darstellte. Lapidius beschloss, so zu tun, als sei er weiter ohnmächtig. Jetzt sprach Gesseler, und was er sprach, ließ Lapidius an seinem Verstand zweifeln.
    »Ich bin Lapidius«, sagte der Medicus mit fester, freundlicher Stimme, »sieh mich an, Freyja, ich bin Lapidius. Ich bin zurück. Du erkennst mich doch? Ja, ich bin Lapidius, du hast dich auf mich gefreut, und nun bin ich zurück. Ich habe dir etwas mitgebracht …«
    Lapidius brauchte all seine Willensstärke, um nicht an sich selbst zu zweifeln. Lapidius, das war doch er! Er und nicht der andere. Und er, der richtige Lapidius, musste der schaurigen Posse ein Ende setzen. Gleich. Sowie seine Kräfte es nur erlaubten.
    »Es ist das Messer hier, das schöne Messer, das ich dir mitgebracht habe, Freyja, es wird deinen Hals streicheln, ganz sanft, ganz weich … ganz sanft, ganz weich. Du freust dich darauf, wie das Messer dich streicheln wird.«
    Gesseler wollte den Hirschfänger ansetzen, doch dazu kam es nicht mehr. Lapidius hatte sich über ihn geworfen und ihn mit der ganzen Wucht seines Gewichts von der Türklappe fortgerissen. Die Klinge flog zu Boden. Lapidius griff danach, doch der Teufel kam ihm zuvor. »Du bist schneller aufgewacht, als ich dachte«, zischte er, »aber es wird dir nichts nützen. Dein letztes Stündlein naht, Destillat der Dummheit, du bist dran! Erst du, dann deine Metz.«
    »Das werden wir sehen!«, keuchte Lapidius. Er sprang nach vorn und versuchte, den Messerarm seines Gegners zu packen. Vergebens. Gesseler war zwar älter als Lapidius, aber kleiner und gewandter. Beide standen sich jetzt gegenüber, lauernd, wachsam, der Teufel den Hirschfänger schwingend, Lapidius mit bloßen Händen. »Wie bist du Ausgeburt der Hölle überhaupt in mein Haus gekommen?«
    Der Hirschfänger stieß spielerisch nach vorn. »Durchs Fenster, Destillat der Dummheit, einfach durchs Fenster.« Gesseler kicherte. Er wusste, dass seine Waffe ihn unbesiegbar machte. Der lästige Widersacher, der ihn so lange verfolgt hatte, würde bald kampfunfähig sein. Ein, zwei Stiche nur, um ihn zu quälen, dann der Garaus. Und dann die Säckler. Vielleicht würde er sie doch nicht gleich töten. Sie sah zwar ziemlich mitgenommen aus, aber ihre Brüste wirkten immer noch einladend, sehr einladend, und wenn der Rest genauso köstlich war … In jedem Fall würde er sie töten, damit niemand j emals erfuhr, wer hinter den Kirchroder Morden stand.
    »War es ein Fenster meines Laboratoriums?«, fragte Lapidius. Er deutete mit der Hand in Richtung Erdgeschoss.
    »Ja«, kicherte Gesseler, und sein Blick wanderte für einen winzigen Moment nach unten.
    Darauf hatte Lapidius gewartet. Mit einem mächtigen Satz sprang er vor, in der Absicht, es diesmal besser zu machen. Abermals wollte er den Messerarm packen, doch wieder griff er ins Leere. Gesselers Antwort kam blitzschnell. Der Hirschfänger schoss vor und traf Lapidius’ linken Unterarm. Lapidius wich zurück.
    Ein Schrei gellte.
    Das musste Feyja gewesen sein. Sie stand also nicht mehr unter dem Einfluss des Teufels. Gottlob! »Keine Angst, Freyj a! «, rief er, »hab keine Angst! «
    Gesseler kicherte jetzt immerfort und umkreiste ihn wie eine Hyäne.
    Lapidius betastete mit der Rechten seinen Unterarm und wunderte sich, dass er keinen Schmerz verspürte, obwohl der Stoff seines Mantels bereits nass wurde. Blut! Er fühlte Blut und … etwas Hartes in der Tasche seines Wamses. Während er darauf achtete, dass er gebührenden Abstand zu dem drohenden Messer hielt, fühlte Lapidius weiter. Und dann wusste er, um was es sich handelte: Es waren die Bockshörner, die er noch immer bei sich trug. Er hätte später nie zu sagen vermocht, warum, aber die Hörner, die er aus dem Kopf der toten Frau herausgelöst hatte, gaben ihm plötzlich ein großes Maß an Furchtlosigkeit. Er umklammerte eines und warf es dem Teufel mit aller Kraft ins Gesicht.
    Doch er traf nicht. Das Geschoss streifte nur ein Ohr Gesselers, was diesen immerhin veranlasste, den Kopf zu senken und abwehrend den Arm zu heben. Jetzt oder nie!, dachte Lapidius, nahm das zweite Horn und schlug es mit der ganzen Kraft, die ihm zu Gebote stand, dem Teufel an die Stirn.
    Gesseler taumelte, gab einen

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