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Die Hitzkammer

Die Hitzkammer

Titel: Die Hitzkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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seltsam seufzenden Laut von sich und sackte auf die Knie. War der Teufel noch immer nicht bezwungen? Lapidius schlug nochmals zu, und jetzt, endlich, fiel Gesseler. Er fiel aufs Gesicht. Und die Maske, deren Halterung sich gelöst hatte, kullerte durch den Raum. Sie blieb liegen, mit der Innenseite nach oben, harmlos wirkend wie ein hölzerner Napf. Lapidius stand nach Atem ringend da und fragte sich, ob er die Bestie getötet hatte.
    »Er lebt«, flüsterte Freyja.
    Lapidius fuhr herum. »Um Gottes willen, du bist j a halb aus der Kammer heraus!«
    »Ja«, sagte Freyj a, und ihre Augen hatten fast wieder die Farbe von Vitriol. »Ich wollt dir helfen.«
    »Aber, aber … fehlt dir auch nichts? Hat er dir nichts getan? Ich bin doch nicht zu spät gekommen?«
    »Nein, nein. Er wollt mich einlullen, aber ich habs gleich gewusst, dass ers ist, der Oberteufel. Hab die Maske erkannt. Nun zieh mich raus.«
    Er gehorchte und lehnte sie mit dem Oberkörper gegen die große Truhe. Gleichzeitig bewunderte er sie für ihre Tapferkeit. Sie musste Todesängste ausgestanden haben und ließ sich dennoch nichts anmerken. Sicherlich nur, um ihn zu beruhigen.
    »Setz dich zu mir.«
    Er nickte und merkte erst jetzt, wie weich die Knie ihm waren.
    »Was ist mit deinem Arm?«, fragte sie.
    »Nicht der Rede wert«, antwortete er.
    Eine Weile saßen sie erschöpft da.
    »Gefährlich ist er, der Teufel«, sagte Freyja und schmiegte sich an Lapidius, »was machen wir mit ihm?«
    Er legte den heilen Arm um ihre Schultern und überlegte. »Ich glaube, ich weiß es«, sagte er dann.
    »Wir stecken ihn in die Hitzkammer.«

EPILOG
    Es erforderte die Kraft von dreißig starken Männern, um den Felsbrocken fortzurollen, der den Eingang zur Sabbathöhle versperrte. Unter den Gesteinsmassen fand sich mehr tot als lebendig der Hilfsmann Gorm. Sein Leben konnte gerade noch durch die Amputation eines Beins gerettet werden. Eine blutige Arbeit, die vom Bader der Stadt erledigt wurde.
    Der Schreiber Wilhelm Fetzer hatte, ebenso wie Gesseler, durch einen Geheimgang aus dem Berg gefunden. Er versteckte sich in den Gewölben unter dem Rathaus, wo er Tage später halb verdurstet entdeckt und verhaftet wurde.
    Auch Gesseler warf man in den Kerker.
    Drei Wochen danach wurden die Söhne des Teufels angeklagt und für schuldig befunden. Unter der Folter hatten sie alle Einzelheiten ihrer Gräueltaten gestanden: Es waren insgesamt fünf junge Frauen gewesen, sämtlich nicht in Kirchrode ansässig, die sie zu Ehren Luzifers in ihre Höhle gelockt und dort gequält, geschändet und gemordet hatten. Neben der Toten, die Gunda Löbesam hieß, konnten noch die Namen dreier anderer Frauen herausgefunden werden. Die Frau mit dem abgetrennten Kopf blieb unbekannt.
    Gesseler, Fetzer und Gorm wurden am 30. Mai des Jahres 1547 auf den Gemswieser Markt geschafft und unter johlender Anteilnahme des Volkes gerädert und verbrannt. Abgesehen von Pfarrer Vierbusch, der für ihre Seelen betete, hatten der Erste und der Dritte Sohn des Teufels keinen einzigen Fürsprecher. Sie jammerten vergebens um ihr Leben. Anders war es bei Gorm. Tauflieb kämpfte bis zuletzt wie ein Löwe um ihn, denn er war, was nun ans Licht kam, der leibliche Vater des Hilfsmanns. Aber nicht nur die drei Söhne des Teufels endeten an diesem Tag auf dem Scheiterhaufen. Auguste Koechlin und Maria Drusweiler waren ebenfalls peinlich verhört worden. Stachelstuhl und Streckbett hatten aus ihnen nicht nur ihre Mittäterschaft herausgepresst, sondern auch die Namen von Menschen, die wenig oder gar nicht mit den Hexenj agden in Verbindung standen. Einer von ihnen war Krabiehl, der zusammen mit den Zeuginnen und drei weiteren, völlig unbeteiligten Personen den Feuertod erlitt. Ihm war zum Verhängnis geworden, dass er eine Liebschaft mit Auguste Koechlin begonnen und überdies den Kräuterwagen von Freyja Säckler aus niederem Besitzstreben beiseite geschafft hatte.
    So waren Schuldige wie Unschuldige gestorben, und die Erkenntnis von Bürgermeister Stalmann, dass ein Geständnis letztlich nur vom Druck der Daumenschrauben abhing, hatte sich auf makabre Weise bewahrheitet. Sogar Stalmann selbst geriet in Gefahr, war sein Name doch – ebenso wie der von Meckel, Kossack, Leberecht und Veith – wiederholt im Zusammenhang mit geheimnisvollen Liebeszaubermitteln gefallen. Die belastenden Aussagen jedoch wurden kurz darauf widerrufen und aus den Protokollen gestrichen.
    Dies alles und mehr geschah zu einer Zeit, da

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