Die Hoehle des Grauens
Freundin hinüber. »Darf ich uns vorstellen: Callidae – Detektivbüro San Francisco.«
»Ach du meine Backe«, stöhnte Justus leise auf der anderen Seite des Ganges.
Auch Callidae waren mit Visitenkarten ausgestattet. Darauf sahen die Jungen, dass Callidae mit Decknamen arbeiteten: Julia nannte sich Corona und Jennifer Althena . »Es ist der Name eines Sterns«, erklärte sie auf Bobs fragenden Blick, während sich Peter Coronas Namen – die Krone – in Richtung Königin und Erste Detektivin zusammenreimte.
Justus verfolgte das Gespräch unauffällig mit. Ab und zu musterte er Corona, die sich merklich zurückhielt. Er spürte, dass sie einen scharfen Verstand besaß und nicht gleich alle Karten auf den Tisch legen wollte. Darin schien sie ihm ähnlich zu sein.
Aber es ging ja nicht mehr um einen detektivischen Wettbewerb. Die Zeichen standen auf Erholung. Außer hinter Bobs Höhlenbericht aus der Zeitung verbarg sich wirklich eine dunkle Geschichte … Justus sah wieder aus dem Fenster. Inzwischen hatte sich die Landschaft verändert. Es war bergiger und zugleich waldiger geworden. Keine Frage, die Gegend wurde einsamer. Nachdem er eine Weile die vorüberziehende Natur betrachtet hatte, überkam ihn die Müdigkeit, und er nickte ein.
Als Justus wieder aufwachte, war die Umgebung draußen noch verlassener geworden. Justus streckte sich und ließ seinen Blick zurück in das Innere des Zuges wandern. Ihm schräg gegenüber auf der Fensterseite saß ein Mann, der schon die ganze Zeit über in einem Buch las. Er war etwa vierzig Jahre alt. Die eckige Brille verlieh seinem scharf geschnittenen Gesicht etwas Strenges, das in Kontrast zu seiner betont lässigen, aber nicht unmodernen Kleidung stand. Justus kannte die Lektüre. Es handelte sich um einen spannenden Kriminalroman. Er konnte die groß gedruckte Kapitelüberschrift erkennen, und ihm fiel auf, dass der Mann immer noch dieselbe Seite aufgeschlagen hatte wie zu dem Zeitpunkt, als Justus eingeschlafen war. War das Lesen nur Tarnung? Immer wieder schielte der Mann hinüber zu Peter und Bob, die sich weiterhin prächtig mit den Mädchen unterhielten. Offenbar versuchte er, trotz der Fahrgeräusche des Zuges etwas von ihrem Gespräch mitzubekommen.
Die Frau, die neben dem Krimileser und Justus gegenübersaß, blätterte ebenfalls in einem Buch. Sie war etwas jünger als der Mann, Justus schätzte sie auf Anfang dreißig. Ihr dunkelgelocktes Haar hatte sie hinten zusammengebunden. Sie vertrieb sich die Zeit mit einem erfolgreichen Fantasybestseller. Immerhin schien sie die Lektüre so anzuregen, dass sie sich von ihrer Umgebung nicht ablenken ließ. Doch als jemand vom Zugpersonal vorbeikam, schaute sie auf. »Wann erreichen wir Haunted Corner?«
»In gut einer Stunde sind wir da, Madam. Wir sagen es durch.«
»Danke.«
Der Zugbegleiter war kaum verschwunden, als sich ihr Nachbar an sie wandte: »Sie fahren auch nach Haunted Corner? Dann haben wir das gleiche Ziel! Die Geisterburg! So eine Überraschung! Jack ist mein Name, Jack Donelly.«
»Susan Dice. Aber ein so großer Zufall ist das gar nicht, Mr Donelly. Ich nehme an, viele der Fahrgäste in diesem Waggon steigen in Haunted Corner aus. Der Bahnsteig ist so kurz, dass gerade mal ein Wagen an ihm halten kann. Das wird bei der Platzreservierung berücksichtigt.«
»Ach! Das ist ja interessant! Haunted Corner, ein so kleiner Bahnhof … Sie wollen sich also auch etwas … gruseln lassen?«
»Ja, ich brauche mal eine Woche Abstand vom Alltag. Und Sie?«
»Ich bin … Drehbuchschreiber für eines der Filmstudios in Hollywood. Die Arbeit beim Film ist wirklich eine Tretmühle, und ich fürchte, ich bin etwas ausgebrannt. Vielleicht kommen mir in der Geisterburg ein paar neue Einfälle. Ich hoffe es zumindest.«
»Drehbuchschreiber sind Sie – wie interessant! Das klingt ja unheimlich spannend. Im Reiseprospekt habe ich gelesen, dass eine Menge aufregender Dinge auf uns warten. Vielleicht regt Sie das wirklich zu neuen Ideen an. Die ›Schlucht des Todes‹ steht auf dem Programm und auch die ›Höhle des Grauens‹!«
Justus verfolgte das Gespräch noch eine Weile, verlor dann aber das Interesse, da es zunehmend auf den Austausch von Höflichkeiten und Komplimenten hinauslief. Er stand auf, zog sein T-Shirt glatt und schlenderte durch den Waggon. Wenn es stimmte, was diese Susan Dice gesagt hatte, dann waren auch die anderen Gäste des Hotels unter den Passagieren des Großraumabteils.
Und
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