Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Titel: Die Höhle in den Schwarzen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
Vom Netzwerk:
Mattotaupa zusammenschrak. »Dir ist ein Bär erschienen?«
    »Erschienen nicht; das hätte noch gefehlt! Das Gebrumm hat mir schon gereicht. Die Wunde fängt wieder an zu bluten. Ich bekomme viel zu wenig Luft. Top, ich bin im Sommer mit dir gegangen. Jetzt geh du auch mit mir. Bringt mich sofort hinunter! Harry, du wolltest mich im Finstern ermorden, aber jetzt, Auge in Auge, mußt du mein Freund sein wie ich der deine. Das läßt sich nicht vermeiden.« Jim fiel das Sprechen schwer. Er versuchte noch einmal zu lächeln, aber es wurde nur ein Grinsen.
    »Wo warst du, als du den Bär brummen hörtest?« fragte Harka.
    Jim machte eine abwehrende Handbewegung. Er bedeutete, daß er nicht mehr sprechen könne. Mattotaupa antwortete an seiner Stelle: »Ich hatte Jim nicht weit vom Eingang gebettet.«
    Harka sah seinen Vater zweifelnd an, und Mattotaupa wußte, was dieser Blick fragte: Konnte das Brummen innerhalb einer nicht allzu langen Zeitspanne im Innern des Berges und hier am Ausgang der Höhle gehört worden sein? War es wirklich ein Zauberbrummen ­ oder hatte Jim trotz seiner Verletzung versucht, allein noch einmal tiefer in die Höhle einzudringen? Mattotaupa wollte dem nicht nachforschen, und das Rätsel blieb für die Indianer ungelöst. Vielleicht war die Geheimnisbärin schnell umhergelaufen, um alle Eindringlinge zu bedrohen oder zu warnen. Es wurde nicht weiter über die Frage gesprochen. Mattotaupa war entschlossen, dem Wunsche Jims zu willfahren und ihn zu dem Blockhaus zu transportieren.
    Harka wollte sich dem Vater anschließen, um ihm beim Herbeischaffen aller Habseligkeiten für den Transport zu helfen, doch der Vater wies ihn zurück; Harka sollte am Höhleneingang bei Jim warten.
    Als Mattotaupa ging, schloß der verwundete Weiße die Lider. Harka setzte sich ihm schräg gegenüber, den Rücken an die Felswand gelehnt. Seine Augen waren bis auf einen schmalen Schlitz geschlossen; auch er wirkte fast wie ein Schlafender.
    Aus der Höhle drang das sanfte ferne Singen, Ausklang der tosenden Wasser im Innern. Draußen rieselten einzelne große Flocken vom Himmel. Auf drei Baumwipfeln hockten Krähen und krächzten einander zu. Ein Eichhörnchen staubte im Springen Schnee von den Zweigen.
    Jim öffnete die Augen und erblickte dabei Harka. Er schloß die Lider sofort wieder, aber der einzige Blick hatte für den jungen Indianer genügt. Der Haß war sichtbar geworden, ein hemmungsloser, blutgieriger, mörderischer Haß.
    Harka rührte sich nicht, und obgleich er todmüde war, blieb er wach, bis der Vater zurückkehrte. Mit Decke und Proviant brachte Mattotaupa auch Harkas Biberfelljacke, den Bogen und den Revolver mit. Der junge Bursche schlüpfte in die Jacke und nahm die Waffen an sich.
    »Wir gehen, sobald es Nacht wird«, sagte Mattotaupa zu Jim. Der Weiße hatte die Augen wieder offen, sein Blick blieb verdeckt. Er stimmte dem Indianer mit einem schwachen Nicken zu. »Ich halte dir paar Stunden Wache bei den Mustangs«, fuhr Mattotaupa fort. »Sie sollen uns nicht zuletzt noch entlaufen.«
    »Laß mich zu den Pferden gehen«, bat Harka den Vater.
    »Du bist müde und wirst einschlafen.«
    »Laß mich bei den Pferden wachen, Vater.«
    Mattotaupa war verwundert über die Hartnäckigkeit, mit der Harka bei seiner Bitte blieb. Sein erfahrenes Auge erkannte die völlige Erschöpfung des jungen Burschen; er wußte, daß Harka in seinem jetzigen Zustande sogar auf Wache einschlafen würde. Den wahren Grund, warum Harka nicht allein bei Jim bleiben und dort schlafen wollte, vermochte sich Mattotaupa nicht vorzustellen. Harka aber wußte selbst, daß er schlafen mußte, und eben darum wollte er nicht allein bei Jim bleiben. Es graute ihm davor, dem anderen auch nur eine Stunde wehrlos ausgeliefert zu sein, selbst wenn Jim verwundet war. Da der Vater es ihm nicht geradezu verwehrte, nahm Harka stillschweigend außer der bemalten leichten Lederdecke noch eine Felldecke aus Mattotaupas Vorrat an sich, ließ sich mit Hilfe des Vaters am Lasso hinunter und lief den Hang hinab zu der Lichtung, wo die beiden Mustangs friedlich beieinanderstanden. Sie hatten aufgehört zu grasen.
    Harka suchte sich einen versteckten Platz, wickelte sich in die Felldecke und schlief sofort ein. Es war das erste Mal in seinem Leben, zugleich das letztemal, daß er auf einer Wache, die er übernommen hatte, einschlief. Aber er wußte sich nicht mehr anders zu helfen.
    Als es dunkel geworden war und die Sterne über dem verschneiten

Weitere Kostenlose Bücher