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Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Titel: Die Höhle in den Schwarzen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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den anderen zu verabschieden, verschwanden dann der Indianer und sein weißer Begleiter in der Prärie.
     
     

 
Nicht mehr allein
     
    Als Charlemagne sich endlich aus dem Proviantzelt wagte, fand er Jim nicht mehr vor.
    Charles schaute sich um, beobachtete Joe und Henry, die sich am Fluß in die Morgensonne gelegt hatten, um wieder zu schlafen, verfolgte einige andere Gäste mit den Augen, wie sie zu ihren Pferden gingen, und warf einen Blick auf das kleine Lager tauschlustiger halbzivilisierter Indianer, die sich in der Nähe des Blockhauses eingefunden hatten.
    Aber alles das fesselte ihn im Grunde nicht. Unauffälliger, aber eindringlicher als alles andere musterte er die Fährte Jims und Mattotaupas, die mit ihrem Pferd westwärts gezogen waren, ohne dabei ihre Spuren im geringsten zu verbergen. Die Eindrücke von Jims starken Ledersohlen, die leichten Abdrücke von Mattotaupas Mokassins, die Spuren der unbeschlagenen Hufe des Mustangs, der im Schritt gegangen war, ergaben eine Kombination, die Charlemagne wundernahm. Da das Ergebnis seines Gesprächs mit Jim im Proviantzelt ihm zwar zusagte, ihm aber im Grunde ebenso verwunderlich erschien wie die deutliche Fährte, so begann er nachzudenken, zu kombinieren und zu brüten. Sein Gehirn war durchaus nicht das eines geübten Detektivs, und er war nur ein mittelmäßiger Jäger. Doch gebrach es ihm nicht an vielfältigen Erfahrungen im Grenzerleben, und nach den letzten Ereignissen hatte er die Gefahren, die nichts einbrachten, satt bekommen.
    Er wollte sich ursprünglich, so wie er Jim gesagt hatte, wieder in Gegenden zurückziehen, in denen es noch nicht so heiß herging wie im Bahnbaugebiet. Dabei hegte er nicht die Hoffnung, im Norden mehr Annehmlichkeiten zu genießen, aber er gedachte doch sein bescheidenes Dasein etwas ungefährdeter zu verbringen. Das waren seine Vorstellungen und Pläne gewesen, ehe Jim ausführlicher mit ihm sprach. Jetzt, nach der Unterredung im Proviantzelt, erschien Charlemagne aber vieles mit einem Schlag in anderem Licht. Wenn er nach allem, was er nun erfahren hatte, richtig kombinierte und entschlossen handelte, mußte er zwar neue Gefahren auf sich nehmen, aber solche, für die ein entsprechender Lohn winkte! Charlemagne konnte ­ hoho! ­ eines Tages zu den sagenhaften Glücklichsten der Glücklichen gehören, die Gold fanden und reich wurden, die dann keine Gefahren mehr zu bestehen brauchten und ihr ganzes noch übriges Leben bequem zu leben vermochten ­ die vielleicht sogar in Saus und Braus leben konnten. Die Aussicht blendete das Gemüt; die Chance erschien unfaßbar großartig.
    Charles witterte diese neue Möglichkeit mit der Wonne, mit der ein hungriger Marder plötzlich Hühnerblut riecht. Alles, was er an geistigen Kräften überhaupt in sich entwickelt hatte, richtete er mit einem Ruck auf die neue, ihm so ungeheuer erscheinende Möglichkeit. Jim hatte einige Andeutungen gemacht, die sich wie Dominosteine mit anderen Nachrichten zusammensetzen ließen.
    Vor Monaten hatte Charlemagne erfahren, und mit der Anspielung auf diese Gerüchte hatte er schon im Expeditionslager den Hahnenkampfbill geärgert, daß eine Gruppe zusammengewürfelter Rowdies einen Indianer mit Namen Mattotaupa im Blockhaus überfallen, gefesselt und zu erpressen versucht hatte. Das war im vergangenen Sommer geschehen. Dieser Indianer sollte von Goldvorkommen wissen, was Jim allerdings bestritten hatte. Ebendiesen Indianer hatte Charlemagne jetzt kennengelernt, und dieser Indianer war nun mit Jim unterwegs, und zwar, wie es schien, zu Fuß mit einem Packpferd. Charlemagne aber sollte bei seinem geplanten Ritt nach Norden die Oberhäuptlinge der Blackfeet aufsuchen und ihnen bedeuten, daß Mattotaupa eines Mordes wegen von Polizei und Gericht gesucht werde und daß die Blackfeet sich der Blutrache der weißen Männer aussetzen würden, wenn sie Mattotaupa beherbergten. Das mochte nun wahr sein oder nicht, jedenfalls war der Eifer Jims, den Blackfeet diese Nachricht zukommen zu lassen, mehr als merkwürdig. Dieser Eifer war verdächtig. Warum wollte Jim dem Indianer keine Zuflucht bei den Blackfeet gönnen? Offenbar doch, um selbst mit ihm umherzuwandern, denn das tat er jetzt, und zwar in sehr gefährlichen Gegenden.
    Mein lieber Jim, dachte Charlemagne, du hast geglaubt, du seist schlau und ich sei dumm, aber vielleicht ist es diesmal umgekehrt. Ich habe dir versprochen, bei den Blackfeet vorzusprechen, und warum soll ich nicht mein Wort halten?

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