Die Höhle in den Schwarzen Bergen
den Wölfen zu beißen. Das Vieh drängte sich dichter zusammen; schwächere Tiere befanden sich in der Mitte, die kräftigen bildeten den äußeren Ring und senkten die Hörner. Am weitesten hatten sich die beiden Stiere vorgewagt, und dorthin sprengte Harka. Thomas folgte und gab zwei krachende Schüsse ab. Die Stiere brummten dumpf und drohend.
Der junge Indianer hatte bei den heimischen Zelten der Bärenbande von seinen Gefährten nicht ohne Grund den Namen Nachtauge erhalten. Er sah auch in der Dunkelheit ausgezeichnet, und so erblickte er jetzt schon von weitem über dem Rist des einen der Stiere zwei grünschillernde Punkte. Wolfsaugen! Harka versandte den ersten Pfeil; die Augen verschwanden. Zugleich begriff der junge Bursche, wie schwer der Stier, der seine Herde schützen wollte, noch zu kämpfen hatte. Das Brummen des Tieres war verstummt. Es ging in die Knie und warf mit den Hörnern einen Wolf hoch in die Luft, ein zweiter folgte. Harka jauchzte laut auf. Er gelangte zu den beiden Stieren und bremste sein Pferd. Ein geiferndes, schattenhaft umherhuschendes Wolfsrudel schien eben den Rückzug anzutreten, wahrscheinlich nur, um an anderer Stelle anzugreifen. Harka und Thomas schossen gleichzeitig. Harka lautlos, Thomas knallend. Fünf Wölfe schienen im ganzen erlegt zu sein; drei durch Schüsse, zwei durch den mutigen Stier. Mit der Schnelligkeit eines Mustangs verschwanden die übrigen mageren, langbeinigen Raubtiere hinter der Bodenwelle. Harka sprengte auf diese Anhöhe hinauf und sah jenseits zehn Wölfe westwärts huschen. Er sandte wieder einen Pfeil hinterher und galoppierte dann zu der Viehherde zurück. Aber von dort schienen sich alle Raubtiere weggezogen zu haben. Dagegen krachte die Büchse Theos im Süden bei der Schafhürde. Thomas setzte sein Pferd in Bewegung, um seinem Zwillingsbruder zu Hilfe zu kommen, und die Hunde, die ihn als Hirten kannten, rannten hinter ihm her.
So blieb Harka allein bei den Rindern; nur die beiden Bluthunde, die ihn beim Herankommen hatten anfallen wollen, hielten jetzt bei ihm aus. Die Stiere waren durch ihren Erfolg ermutigt. Sie umkreisten die Herde, schnaubten und stampften im Bewußtsein ihrer Kraft, und die Wölfe schienen hier nicht so leicht ein zweites Mal anbinden zu wollen.
Am Himmel zogen Wolken. Sterngruppen verschwanden dahinter und leuchteten wieder auf. Der Wind fuhr in das Feuer, so daß es bald hoch aufflackerte, bald zu verlöschen schien. Der zuckende Schein fiel über die nächtlich-dunklen Wiesen, über das sich drängende, immer noch aufgeregte und angsterfüllte Vieh. Die beiden Bluthunde verfolgten schnuppernd Wolfsfährten. Harkas Grauschimmel war verwirrt. Die Stiere, die jetzt aufgebracht hin und her galoppierten, weckten in dem Mustang die Erinnerung an Büffeljagden, und er wollte ausbrechen, um diese Stiere zu verfolgen; gleichzeitig zitterte er aus Angst vor den Wölfen. Harka hatte den Zügel um den Arm genommen, um den Mustang jederzeit anhalten zu können. Die Hände brauchte er für Bogen und Pfeil.
Die beiden Hunde, die sich weit vorgewagt hatten, heulten auf, und schon sah Harka auch, wie sie mit einem großen Wolf kämpften. Er wollte ihnen das Raubtier überlassen, aber der Wolf erhielt Unterstützung von seinem Rudel, und schon war der eine der Hunde verloren, zerbissen, während der andere, von zwei Wölfen verfolgt, zu Harka floh. Das war eine prächtige Gelegenheit für einen jungen Meisterschützen, sein Können zu zeigen. Harka spannte den Bogen und schoß mit großer Schnelligkeit zweimal hintereinander. Beide Wölfe waren getroffen. Die Stiere galoppierten herbei und nahmen voll Wut die toten Raubtiere noch auf die Hörner. Harka mußte sich vorsehen, daß er mit seinem Mustang nicht zwischen die rasenden Tiere geriet.
Von Süden her krachten wieder Schüsse, und Harka hörte die heiseren Schreie von Thomas und Theo, die ihre Hunde anfeuerten. Jetzt knarrte auch die Tür des Hauses, das zwischen Bäumen und Gebüsch an einem Teich stand, der wohl das Überbleibsel eines im Sommer ausgetrockneten Flußlaufes war. Es kam jemand heraus, schwang sich auf ein Pferd, das bei der Tür angehängt gewesen war, und galoppierte zur Rinderherde herbei. Der Reiter hatte eine merkwürdige, ein wenig dickliche Figur und schien Harka nicht zu sehen. Daher rief der junge Indianer laut: »Hi-je!« und der Reiter lenkte nun auf ihn zu. Als er näher kam, erkannte Harka, daß er eine Frau in Hosen vor sich hatte; wahrscheinlich
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