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Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Titel: Die Höhle in den Schwarzen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Bruders und der Geschicklichkeit eines Arztes. Die Wunden hatten Frost bekommen und heilten nur sehr langsam.
    Harka blieb in diesen Wochen ganz für sich allein. Er aß überhaupt nicht von dem, was die Frau briet und vorsetzte. Er kümmerte sich nicht um Jim, und er sprach wenig mit dem Vater. Tag um Tag schweifte er bald mit, bald ohne Pferd in der winterlichen Prärie umher. Er fischte, erlegte Kleinwild, auch wohl eine Antilope und verschaffte sich so, was er für seine eigene Nahrung brauchte. Er sammelte sich sein Holz, um Feuer zu machen, und röstete seine Mahlzeit in der Asche. Des Nachts kam er zunächst noch regelmäßig in das Blockhaus. Als ein heftiger Schneesturm tagelang das Land durchtoste und der Flockenwirbel, zusammen mit aufstäubenden Neuschneemassen, jede Sicht nahm, blieb er drei Nächte weg und kam dann wohlbehalten wieder, mehr, um zu zeigen, daß er noch lebe, als um das schützende Obdach in Anspruch zu nehmen. Von da an blieb er häufig auch des Nachts fort. Er hatte sich aus festgebackenem Schnee eine gute Schneehütte gebaut und darin eine Büffeldecke untergebracht. Eine dicke Eisscheibe, die er sich vom Flusse geholt und eingebaut hatte, ließ etwas Licht herein. Die Temperatur in der Hütte stieg nicht über den Gefrierpunkt, auch dann nicht, wenn Harka darin Feuer machte. Aber in das Büffelfell eingewickelt, konnte er in der Hütte schlafen, ohne sich die Füße zu erfrieren.
    Kam er zum Blockhaus, so schnitt er Ben und seine Frau, unterhielt sich aber zuweilen mit Bens Tochter. Sie mißfiel ihm, weil sie blond und geschwätzig war, doch konnte er von ihr am leichtesten erfahren, was er jeweils zu wissen wünschte. Das Mädchen war aber nicht nur redselig, was Harka ausnutzte, sondern sie war auch neugierig, und der junge Indianer vermutete, daß Ben und die Mutter sie anstachelten, ihn auszuhorchen. Er blieb daher auf der Hut und sagte kein Wort zuviel. Meist traf er Jenny in der für die Pferde bestimmten Umzäunung an der südlichen Schmalseite des Hauses. Sie schien auszuspähen, wann er dorthin kam. Dann zeigte sie sich unter irgendeinem Vorwand und sprach ihn an. Harka stand im vierzehnten Lebensjahr. Das Mädchen mochte siebzehn oder achtzehn sein, aber sie war einen Kopf kleiner als der junge Indianer.
    Eines Morgens, als Harka sein Pferd von der Tränke brachte, saß sie auf dem Zaun und schaute ihn an, ohne daß er den Blick erwiderte.
    »Im Sommer wird’s hier lustig, Harry. Vielleicht wachst du dann auch mal auf!«
    Der Indianer gab keine Antwort.
    »Jim ist bald wieder gesund. Er kann schon reden und schilt meinen Vater einen Wucherer.«
    Der Indianer gab keine Antwort.
    »Wie alt ist Jim eigentlich?«
    »Frag ihn doch.«
    »Er sagt, er weiß es selbst nicht.«
    »Woher soll ich es wissen?«
    »Ist Jim verheiratet?«
    »Frag ihn doch.«
    »Ich frag’ ihn nicht. Er könnt’ sich sonst was denken. Willst du nicht mal für uns Holz machen, Harry?«
    »Nein.«
    »Du bist ein richtiger Vagabund. Ein Zigeuner bist du.«
    Der Indianer antwortete darauf nicht, ging aber auch nicht weg. Er hatte das Gefühl, daß das Mädchen irgendeine Nachricht an den Mann bringen wollte. In den vergangenen sonnigen Tagen waren einige Gäste im Blockhaus gewesen, Weiße mit beschlagenen Pferden, Harka hatte die Fährten verfolgt. Einer davon war aus Westen gekommen und nach Osten geritten.
    »Ein Vagabund bist du, sag’ ich dir. Nimmst du im Sommer Dienste als Scout an?«
    »Für wen?«
    »Die Südstaaten sind geschlagen. Spätestens nächsten Sommer ist Frieden. Dann geht es mit dem Bahnbau richtig los.«
    »Wenn der Krieg aus ist, finden sich Leute genug als Scouts.«
    »Hast recht. Für euch ist was andres wichtiger.«
    »Was denn?«
    »Das Gold.«
    »Ich brauche euer Gold nicht.«
    »Unser Gold? Wenn es erst mal unsres wäre!«
    »Wem gehört es denn?«
    »Dem Berg ­ und der schweigt. Oder er brummt.«
    Harka wandte sich halb von dem Mädchen ab, so daß sie sein Gesicht nicht sehen konnte.
    »Harry ­ gibt’s Gespenster?«
    »Was ist das?«
    »Gesehen hab’ ich noch keine. Aber das gibt’s.«
    »Was fragst du, wenn du es weißt?«
    »Der Vater sagt, in die Höhle geht er nie mehr, und Jim hat die Nase auch voll. Vorläufig.«
    »Ben war schon in der Höhle?« Harka versuchte, diese Frage an das Mädchen in gleichgültigem Ton zu stellen. Er hatte das Gefühl, daß ihm das nicht gelang, aber sie schien seine Erregung nicht bemerkt zu haben oder darüber hinwegzusehen.
    »Vor zwei

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