Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Titel: Die Höhle in den Schwarzen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
Vom Netzwerk:
gestanden hatten. Die Bodenwellen, die Harka jetzt als Deckung benutzte und von deren Kämmen er auslugte, waren das Revier für die Schlittenfahrten der Jungen gewesen; als Schlittenkufen hatten sie Büffelrippen benutzt. In dieser Prärie war Harka als Anführer des Knabenbundes der »Jungen Hunde« mit seinen Gefährten auf Schneereifen umhergeschwärmt und hatte Wildspuren gesucht. Jedes Tal, jeder Hügel, jedes Wasser, das zwischen verschneiten Ufern dunkel glänzend dahinglitt, weckte Erinnerungen. Über ein Rückerinnern an das, was gewesen war, sprach Harka mit dem Vater nie. Fern in den Städten der Weißen und fern im Norden bei den Siksikau hatte er auch nur im Untergrunde an das Daheim gedacht. Aber jetzt, als er alles wiedersah, was Zeuge seiner Kindheit, seines stolzen und frohen Heranwachsens gewesen war, als die Winternacht einsam und still und er selbst mit dieser Prärie allein war, da konnte er den Gedanken, verstoßen zu sein, nur ertragen, weil die jungen Kräfte in ihm den Gedanken nicht zuließen, daß dieses Schicksal endgültig sei. Er wollte den Kampf dagegen nicht aufgeben, er, Sohn der »Großen Bärin«, gleich seinen Gefährten in der Bärenbande.
     
     

 
Top und Harry
     
    Für den Weg bis zur Blockhütte des zahnlosen Ben brauchten die Indianer mit dem Schwerverletzten vier der langen Winternächte. Tagsüber rasteten sie. Jim war dem Tode nahe, und Harka wünschte ihm den Tod, aber zähe wie ein angeschossener Büffel hielt sich der Weiße immer noch am Leben.
    Eines Morgens erblickte der junge Indianer den Niobrara und das verschneite Blockhaus am jenseitigen Ufer. Die Sonne hing als runde rote Scheibe zwischen Winternebeln. Das Wasser dampfte. Die Sandbänke traten hoch hervor, der Fluß war wasserarm geworden. Nur wenige Fährten waren zu sehen. Im Winter hatte Ben nur selten Gäste, und das Wild scheute den Jäger. Harka hielt an, betrachtete sich das Bild und überlegte. Er kannte das Blockhaus, und er kannte Ben. Ben war nicht zuverlässig wie Old Abraham. Er war ein Schuft. Als der Maler Morris überfallen und beraubt werden sollte und Mattotaupa und Harka diesem zu Hilfe eilten, hatten Ben und seine Kumpane Harka in ein Wasserloch unter dem Fußboden gestoßen. Wenn es nach ihren Wünschen gegangen wäre, würde Harka nicht mehr am Leben sein. Der junge Indianer wollte sich vor dem schuftigen Ben künftig in acht nehmen, aber trotz seiner üblen Erfahrungen empfand er keine Angst vor ihm.
    Angst hatte er noch vor Jim. Später, wenn er herangewachsen war, wollte er auch diese Furcht ablegen.
    Harka durchritt den seicht gewordenen Fluß. Ben war nirgends zu sehen. Aber aus der Tür des Blockhauses, an der nach Osten gelegenen Breitseite, kamen zwei Frauen heraus. Die eine war eine stämmig gewachsene Grenzerin. Ihr Gesicht war faltig, verbissen, fast finster. Sie hatte eine Flinte in der Hand, und das gehörte zu ihr. Die zweite war jung und unruhig; sie schaute der älteren über die Schultern und lachte ein wenig.
    Der junge Indianer ritt auf den Hauseingang zu, aber natürlich nicht im Galopp und ohne beim Anhalten das Pferd hochzureißen. Eine solche Förmlichkeit schien ihm den Frauen gegenüber nicht am Platze. Er näherte sich im Schritt, ließ den Mustang wie von selbst haltmachen und sagte zu der älteren Frau: »Red Jim kommt. Wo ist Ben?«
    »Nicht zu sprechen ist er für das Raubgesindel!« schrie die Frau auf, so etwa, als ob Zorn lange aufgespeichert und in eine Blase gepumpt worden sei, die jetzt mit einem Knall platzte. »Wo kommst du denn her, du roter Flohbeutel? Von euch Herumstreichern und Banditen, die fressen und stehlen und nicht zahlen, haben wir ein für allemal genug!« Sie stieß das Mädchen, das ihr neugierig über die Schulter gelugt hatte, in das Haus zurück, verschwand selber darin und schlug die schwere Tür krachend zu. Harka beobachtete, wie gleich darauf an der Schießscharte neben der Tür ein Flintenlauf erschien.
    Er lächelte spöttisch, wandte das Pferd, ritt langsam über den Fluß zurück auf das Nordufer und setzte von hier an den Grauschimmel in Galopp.
    Als er Mattotaupa und Jim in einem Prärietal fand, hatten diese schon vorher haltgemacht gehabt. Jim kaute vereisten Schnee, um seinen vertrockneten Gaumen zu kühlen.
    Harka glitt vom Pferd. »Im Blockhaus des Zahnlosen hat sich etwas verändert«, berichtete er seinem Vater in teilnahmslosem Ton. »Eine Frau ist eingezogen, und sie will keine Flohbeutel und Banditen mehr

Weitere Kostenlose Bücher