Die Höhle in den Schwarzen Bergen
Lande aufleuchteten, kletterte Mattotaupa aus der Höhle in den Wald hinab, um die Pferde und Harka zu holen. Er erwartete, den Jungen schlafend zu finden, und hatte nicht die Absicht, darüber ein Wort zu verlieren. Er wollte ihn einfach wecken. Die Tatsache, daß er auf Wache schlafend entdeckt wurde, würde Harka auch ohne Worte genügend treffen. Mattotaupa kannte den Ehrgeiz seines Sohnes. Mit ausgezeichneten körperlichen und geistigen Gaben ausgerüstet und gut erzogen, war es Harka nie schwergefallen, unter den Knaben seines Alters die erste Rolle zu spielen, ja selbst ältere zu übertreffen. Der Vater hatte seinen Ehrgeiz angestachelt und zu spät wieder zu zügeln versucht. Durch den Gegensatz zwischen hervorragendem persönlichem Können und der Mißachtung, die einen Heimatlosen traf, verstieg sich Harkas Ehrgeiz immer mehr, und Mattotaupa schrieb es dem zu, daß sein Sohn durchaus die Wache hatte übernehmen wollen. Als der Vater zu der Lichtung kam, schlief Harka jedoch nicht, sondern saß auf der Felldecke und paßte auf die Pferde auf. Die Mustangs hatten Mattotaupa gewittert und den Schläfer noch rechtzeitig geweckt.
Mit vereinten Kräften holten die Indianer Jim, in eine Decke gewickelt, an ihre Lassos angeseilt, über die Felswand herunter. Mattotaupa trug ihn bis zu den Pferden und lud ihn dann auf sein Tier, das er am Zügel führte. Seinen Sohn Harka schickte er als Kundschafter auf dem Grauschimmel voraus.
Alle drei kamen unbemerkt aus dem Wald auf die Prärie, wo sie die Bodenwellen ausnutzten, um sich gegen Sicht zu decken. Ihre Fährte konnten sie jetzt allerdings nicht mehr verbergen. Pferde im Schnee verursachten unverwechselbare Spuren. Die weiße Decke war noch nicht dick. Da es in den letzten Tagen nicht mehr viel geschneit hatte, war die Oberfläche vereist. Sie war fest genug, um den leichten Fuß eines Indianers zu tragen, aber die Pferdehufe brachen vielfach durch die dünne Kruste durch.
Während Harka auf seinem Grauschimmel kundschaftend umherschweifte und der nächtliche Winterwind ihm um den Kopf blies, hielt er Ausschau nach allen Seiten. Seine Gedanken aber kehrten dabei immer wieder zu dem geheimnisvollen Brummen zurück, das sowohl er und sein Vater als auch Jim an ganz anderer Stelle gehört hatten. Vorräte und Decken, von denen der schwerverletzte Jim aus Angst weggekrochen war, hatte Mattotaupa später offenbar unversehrt und unverrückt vorgefunden, sonst würde er etwas gesagt haben. Harka dachte weiter nach. Wo hatten sich alle diese Sachen in der vergangenen Nacht befunden, als er in die Höhle eingedrungen war? Diesseits des Wasserfalls hatten sie nicht gelegen. Da hätte er sie bemerken müssen, und sie würden ihn rechtzeitig gewarnt haben. Also hatten Mattotaupa und Jim ihre Sachen jenseits des Wassers gelagert gehabt. Erst als Jim verletzt war, hatte Mattotaupa die Decken und den Proviant mit zum Ausgang geschafft. Das schien klar. Aber warum hatte Jim in der Nacht, in der er Harka zuerst begegnete, seinen Revolver nicht bei sich geführt? Der Revolver war für die Weißen eine Waffe, die sie liebten und stets bei sich zu führen pflegten. Wenn Jim sich von dem Lager entfernt und den Revolver nicht eingesteckt hatte, mußte er etwas vorgehabt haben, wobei er ihn nicht brauchen konnte. Diese Frage blieb offen und erregte in Harka von neuem einen unbestimmten Verdacht.
Voller Geheimnis blieb auch das schauerliche Brummen. Niemals durfte Jim erfahren, daß Mattotaupa und Harka im Berge gewesen waren und es auch gehört hatten. Darüber hatten sich Vater und Sohn verständigt. Der Schauer, den Harka im Innern des Berges empfunden hatte, als der mächtige und feindliche Ton durch die Höhlengänge hallte, klang bei dem jungen Burschen in der Erinnerung ab, und seine Furcht wandelte sich zu einer Art von Ehrfurcht vor der Kraft, die das Geheimnis des Berges gewahrt und selbst Jim in Schrecken versetzt hatte. Die alte Sage von der »Großen Bärin« war Harka aus den Erzählungen Untschidas und des Geheimnismannes schon immer bekannt gewesen. Jetzt aber war sie ihm etwas Gegenwärtiges geworden. Er war nicht nur der Sohn Mattotaupas. Er fühlte sich als ein Sohn der »Großen Bärin« und ihr verpflichtet.
Bei all diesen Gedanken und Empfindungen vergaß Harka seinen Kundschafterdienst nicht. Es fiel ihm auch nicht schwer, ihn gut zu versehen, denn das Gelände war ihm vertraut von den Jahren her, in denen die Zelte der Bärenbande am Südhang der Black Hills
Weitere Kostenlose Bücher