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Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Titel: Die Höhle in den Schwarzen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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die Augen nicht, sondern zwang sich, wieder einzuschlafen. Es quälten ihn von da ab ausgesprochene Angstträume. Er sah in der Ferne seine Schwester stehen, die ihn um Hilfe rief; er konnte ihr aber nicht helfen, weil seine Füße fest an den Boden angezaubert waren.
    Als er das zweitemal erwachte, begann er darüber nachzudenken, warum er so schlecht träumte. Er richtete seine Aufmerksamkeit auf seine Umgebung. Erst lauschte er nur. Als er die gleichmäßigen Atemzüge des Mädchens vernahm, die die einer Schlafenden waren, machte er die Augen auf, gewöhnte sich an die Dunkelheit und konnte allmählich dies und jenes in Umrissen erkennen. Es war im Zelt durchaus nichts verändert. Wie lange er allerdings geschlafen hatte, war nur schwer zu sagen, da es weder eine Uhr noch das Signal eines Nachtwächters noch durch die Büffelhautplanen hindurch einen Ausblick auf die Sterne gab.
    Der Vater war jedenfalls noch nicht ins Zelt zurückgekommen. Harka hatte keine Lust, ein drittesmal einzuschlafen. Er begann von neuem zu grübeln. In der Stille der Nacht und im tiefen Dunkel war es am leichtesten, seinen Gedanken nachzuhängen. Er glaubte wieder diesen Namen zu hören: Tashunka-witko. Es gab sehr wenige Geheimnismänner und Häuptlinge bei den Dakota, deren Namen und Einfluß über das eigene Zeltdorf oder eine Gruppe solcher Verbände hinausreichten. Zu diesen wenigen rechneten Tatanka- yotanka, der Zaubermann, und Tashunka-witko, der Häuptling. Sie gehörten beide zu den Dakotastämmen, die die westlichen Prärien bewohnten, und es gab keinen Zweifel, daß sie sich persönlich kannten. Tatanka-yotanka hatte der Ratsversammlung der Bärenbande beigewohnt, die Mattotaupa schuldig gesprochen und verbannt hatte. Diese Tatsache hatte Mattotaupa dem Zauberer der Schwarzfüße nicht mitgeteilt. Aber es war so gewesen. Tatanka-yotanka wußte von Mattotaupa und von Harka, und daher wußte aller Wahrscheinlichkeit nach auch Tashunka-witko von den beiden. Vielleicht hatte auch das Mädchen, das hier im Zelte schlief, schon von Mattotaupa und Harka erfahren, ehe sie in Gefangenschaft geriet. Vielleicht hatte sie sogar dem Dakotakundschafter, der bei ihr gewesen sein sollte, etwas davon gesagt, daß Mattotaupa und Harka hier in den Zelten weilten. Das Mädchen rührte sich in seinen Decken, aber mit den typischen Bewegungen einer Schlafenden.
    Harka dachte auch über die Vermutungen nach, die der Vater ausgesprochen hatte. Es war wirklich unwahrscheinlich, daß ein so gewagter Kundschaftergang, der mitten in die Zelte der Siksikau führte, ein zweitesmal unternommen wurde, wenn er das erstemal geglückt war. Viel eher war mit einem Überfall zu rechnen, oder wenn nicht das, so vielleicht mit einem Versuch, das Mädchen zu befreien.
    Nordstern fing offenbar an zu träumen. Sie bewegte sich lebhaft und stieß sogar Laute aus. Harka lauschte angestrengt, um zu verstehen, was sie im Traume sagen wollte. Sie lallte aber nur. Doch jetzt ­ war das nicht ein Name gewesen? Aber Tashunka-witko hatte sie nicht gesagt. Vielleicht liebte sie irgendeinen jungen Dakotakrieger, der sie in sein Zelt hatte holen wollen, ehe sie die Gefangene der Siksikau wurde. Ihr Traum schien beendet zu sein. Sie atmete sehr tief und lag dann ruhig. Ihre Atemzüge wurden wieder ganz regelmäßig.
    Harka ärgerte sich über sich selbst. Dieses Mädchen konnte schlafen, er aber, ein Junge, war zu aufgeregt dazu! Eine Schande war das. Aber ehe er sich nochmals einzuschlafen zwang, mußte er sich vergewissern, welche Stunde es war. Er stand nicht auf, ging nicht zum Zeltausgang, weil er das Mädchen nicht wecken wollte. Leise legte er die Decken beiseite, kroch zur Zeltwand, lockerte vorsichtig einen Pflock und schob den Kopf unter der Plane hinaus. Er wollte nach den Sternen lugen; Aber dazu kam er nicht mehr.
    Eine Hand packte ihn am Hals und würgte ihn, so daß er nicht den geringsten Laut von sich geben konnte. Er griff nach den Fingern der feindlichen Hand, um sie einzeln aufzubiegen, versuchte auch, sich mit den Füßen einzustemmen, aber die Zeltplane, unter der er den Kopf durchgesteckt hatte, war ihm sehr hinderlich. Schon waren auch seine Füße gepackt, und trotz seiner heftigen Gegenstöße wurde ihm eine Fessel um die Fußgelenke gebunden. Die Finger an seiner Gurgel ließen sich nicht wegreißen. Der Mann, der ihn gepackt hatte, war stark. Harka spürte die entsetzliche Angst des Erstickenden, und seine Glieder wurden allmählich schlaff. Es

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