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Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Titel: Die Höhle in den Schwarzen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Büffelrückenstück.«
    »Meinetwegen. Beeil dich! Brauchst nicht lange dran zu braten, wenn’s kein hundertjähriger Stier war.«
    Joe goß schon den vierten Brandy hinunter.
    »Bleib vernünftig«, mahnte ihn Jim. »Morgen kannst du wieder saufen. Heute kostet’s dich vielleicht noch das Leben, in dem Zustand, in dem du bist.«
    Joe antwortete nur mit einem verrückten Gelächter.
    »Den hat’s schon«, sagte Jim und zuckte mit den Achseln.
    Mattotaupa saß aufrecht auf der Wandbank. Ben hatte ihm einen Becher hingestellt, aber Jim schenkte dem Indianer nicht ein. Mattotaupa war abgemagert, sein Gesicht wirkte zerstört, nicht nur durch den graublassen Schimmer unter der braunen Haut. Die Mienen waren auch nicht schmerzverzogen, sie waren nicht von Grimm entstellt; sie wirkten einfach tot. Jim schaute ihn hin und wieder von der Seite an, und obgleich er abgebrüht war, empfand er einen Rest von Schrecken oder Unruhe darüber, was sich hier im stillen vollzog. Er brauchte Top noch. Es war nicht gut, wenn der Indianer zu rasch zugrunde ging.
    Der Indianer selbst sah von allen am Tisch nur Joe. Der mumienhaft eingetrocknete Ingenieur und sein irres Lachen nach dem zweiten Becher Brandy waren das einzige, was in Top in dieser Stunde ein fatales Interesse weckte. »Was ist das für ein Mann?« fragte er Jim.
    Jim wußte es nicht, aber Charlemagne hatte die Frage aufgefangen. Der lange, knochige Präriejäger hatte die Strapazen besser überstanden als die anderen, auch besser als Bill, der entweder fleischig oder eben nicht Bill war. Der Lange zupfte an seinem Bart, der in ungezähmtem Wuchs die gewünschte Knebelform wieder gänzlich verloren hatte, und antwortete: »Joe war am weitesten vorgedrungen. Der Ehrgeiz hat Joe gefressen und uns alle dazu. Jetzt ist es aus. Wenn du wissen willst, wie vollständig alles aus ist mit ihm, mußt du ihn dir nur ansehen.«
    »Hau«, erwiderte der Indianer, machte eine Pause und wiederholte langsam: »Jetzt ist es aus.«
    Auf dem Gesicht von Joe erschien ein Lächeln, das fratzenhaft wie ein hämisches Grinsen wirkte. »Wir kommen aber wieder …«, lallte er und trank schnell weiter.
    »Wir kommen wieder … immer wieder …« Er wurde auf Top aufmerksam, auch darauf, daß dessen Becher leer auf dem Tisch stand, und goß diesen Becher voll. Seine Hand zitterte; er verschüttete und goß wieder ein. »Prost!«
    Jim beobachtete die Szene sehr genau und sehr gespannt.
    Auf Mattotaupas Lippen erschien das gleiche erschreckende Lächeln, das auf Joes Zügen lag, voller Hohn über sich selbst und die Welt. »Prost!«
    Die beiden tranken zur selben Zeit aus.
    »Vielleicht sterben wir daran, so wie Jim prophezeit hat«, murmelte Joe. Er verlor das Gleichgewicht und sackte im Sitzen in sich zusammen. »Nicht mehr denken … Top … ist … das best …« Joe wußte nichts mehr von sich. Der Kopf sank ihm auf den Tisch, so wie dem schlafenden schmierigen kleinen Kerl neben ihm.
    Mattotaupa hatte sich fest an die Wand zurückgelehnt. Er war ausgehungert, überanstrengt und den Alkohol nicht gewohnt. Gedanken und Empfindungen kreisten in seinem Gehirn immer schneller, und sein Herz schlug heftig. Sterben, dachte er, oder irgend etwas anderes sehen als das, was wirklich ist. Der Schweiß brach ihm aus. Die Totenstarre in seinem Inneren löste sich in ein Vibrieren, Kreisen, Schwanken; die Farben, die er sah, gaben keine Formen mehr, sondern ineinandergleitende bunte Sonnen. Er fühlte sich auf einmal gehoben und stark; er trank rasch ein zweites- und drittesmal den Becher aus, den Jim nachgeschenkt hatte. Nun erschien es Mattotaupa als ein Geringes, Tashunka-witko aus dem Stand zu heben und ihn zu zerschmettern. Furchtbar und groß würde Mattotaupa, einst Kriegshäuptling bei den Teton-Oglala, künftig wieder allen seinen Feinden begegnen. Alle, die ihn beleidigt hatten, würden fliehen vor ihm.
    Mattotaupa begann zu lärmen. Er schlug Charlemagne mit der Faust ins Gesicht, und als Ben herbeieilte, packte er dessen Messer und nahm es mit ihm auf. Dabei wußte er selbst nicht, ob das alles geschah oder ob er es nur träumte.
    »Total besoffen«, sagte Jim, lehnte sich in einer Weise zurück, die gemächlich-behäbig wirkte, und schaute zu, wie Ben Mattotaupa das Messer entriß und wie die beiden sich prügelten. Der Indianer gewann dabei wieder die Oberhand.
    *
    Die Sommernacht währte nicht mehr lang. Schon in der vierten Stunde nach Mitternacht ging die Sonne auf. Die Dämmerung war nur

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