Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Titel: Die Höhle in den Schwarzen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
Vom Netzwerk:
»Hi-je-he! Hi-je-he!«
    Er konnte sehen, wie die vier sich reckten und die mageren Arme grüßend hoben. Sie stießen wirre Schreie aus und stolperten in Richtung des Hügels, auf dem Mattotaupa sich jetzt wieder niederließ. Nur den Kopf und einen Arm reckte er, so daß die vier das Merkzeichen nicht verloren, nach dem sie zu laufen hatten. Sie wankten hin und her, lachten und heulten und schienen dem Indianer halb verrückt zu sein. Vielleicht hatten sie die Wegrichtung verloren gehabt und waren fast verdurstet.
    Endlich langten sie am Fuße der Anhöhe an. Einer wollte sich gleich des Mustangs bemächtigen, aber er hatte sich verrechnet. Das Tier biß und schlug, und der vierschrötige Mann, der kein Meisterstück der Natur war, setzte sich vor Schreck und Schwäche rücklings ins Gras.
    Mattotaupa glitt von der Anhöhe herab und besah sich im Wiesental die vier Gestalten, die sich zu ihm her drängten und alles mögliche durcheinander fragten, als ob sie wahrhaftig den Verstand verloren hätten.
    »Joe, Henry, Bill, Charlemagne!« sagte der Indianer, der trotz allem, was er erlebt hatte, und trotz der wütenden Schmerzen in seinen verzerrten Handgelenken seine Sinne immer noch am klarsten von allen gebrauchte. »Ich führe euch zum Blockhaus des zahnlosen Ben, und ihr gehorcht mir. Ich habe gesprochen, hau!«
    »Er weiß unsere Namen. Verdammtes Glück, er kennt uns! Mann, Indsman ­ du … eh eh ­ ei-ei-ei.«
    »Top bin ich. Schweig jetzt, Hahnenkampfbill. Ich habe dich und deinesgleichen schon einmal geführt. Aber diesmal wird das Ende nicht wieder sein, daß ihr mich fesselt. Nimm dich in acht, Bloody-Bill!«
    »Aber Bruder … mein bester …«
    »Halt den Mund!«
    Der Indianer holte sich Henry, der an der letzten Grenze seiner Kräfte angelangt war, hob ihn auf den Mustang und führte mit dem Pferd den Zug der Erschöpften und Wehrlosen an.
    Wenn die Dakota den kleinen Zug nicht aufspürten, wenn sie aus irgendwelchen Gründen von der Verfolgung Abstand genommen hatten, so gab es eine Möglichkeit, sich zu retten.
    *
    Während die fünf Menschen unter Aufbietung aller Kräfte durch die Prärie in Richtung des Niobrara wankten, waren im Blockhaus des zahnlosen Ben wilde Gerüchte über die Vernichtung einer ganzen Gruppe der Vermessungsexpedition bereits im Schwange. Niemand wußte, woher die Nachrichten kamen, keiner hatte etwas Genaues erfahren, aber wo sich Fallensteller, Präriejäger, Kundschafter, Händler trafen, wurde davon gesprochen. Überall, wo Vermessungsarbeiten in der Wildnis im Gange waren, verbreiteten sich Unruhe und Schrecken.
    Im Blockhaus des zahnlosen Ben am Südufer des Niobrara war man weit genug entfernt von den Gegenden, durch die die künftige Überlandbahn fahren sollte, um sich selbst in Sicherheit zu wiegen, aber doch nahe genug, um alle Neuigkeiten gierig aufzunehmen. Der Brandyausschank in dem dunklen Blockhaus- raum, der durch Pechfackeln erleuchtet wurde, nahm zu. Ben, der Wirt, lauschte eifrig auf alles, was die Gäste zu erzählen hatten, um es dann aufgebauscht oder verdünnt weiterzugeben, je nach- dem, ob er einen starkherzigen oder einen nervösen Zuhörer fand.
    Wieder war ein solcher Abend, erfüllt von Brandygeruch, Ta- baksqualm und Gerüchteschwaden, im Blockhaus angebrochen. An dem Ecktisch links hinten, von dem Charlemagne zu Bill gesprochen hatte, saß ein kleiner Kerl, der sich das schwarze Haar in die Stirn fallen ließ. Er hatte schon viel Branntwein ge- trunken; seine Hand zitterte, und er verschüttete von jedem Be- cher etwas. Seine Finger waren naß; er schmierte damit im Ge- sicht herum, und sein Anblick widerte jeden an, der selbst noch nicht betrunken war. Die Gedanken des kleinen Mannes arbei- teten aber noch.
    »Wo bleibt Red Jim?« schrie er zu dem Wirt hinüber, der eben an einem anderen Tische bediente.
    »Kommt heute abend noch!« grunzte der zahnlose Ben. Er hatte vor zwei Jahren, bei dem Aufstand der Ost-Dakota in Minne- sota, alle seine Zähne eingebüßt, und das hatte ihm den Namen des Zahnlosen eingetragen.
    »Soll mich wundern!« rief der kleine Schmierige zurück. »Wenn Jim kommt, gibt’s immer was zu wundern.« Es dauerte noch eine halbe Stunde, bis der Erwartete eintrat und die schwere Eichentür krachend hinter sich zuschlug. Er schaute sich um, winkte ungeduldig ab, als der kleine Schmierige ihn zu sich heranholen wollte, und ging schließlich zu Ben hin, der an einem der Tische einen Bärenschinken serviert hatte und sich mit

Weitere Kostenlose Bücher