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Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Die Höhle in den Schwarzen Bergen

Titel: Die Höhle in den Schwarzen Bergen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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den Gästen dort unterhielt.
    »Top ist immer noch nicht gekommen?« fragte Jim alias Fred.
    »Hast ja selbst Augen, um zu gucken!«
    »Hab ich noch gar nicht gewußt. Besten Dank für die Aus- kunft.«
    Jim ging aus dem Hause und sah sich an der südlichen Schmal- seite bei den Pferden um, die dort in einer Umzäunung unterge- bracht waren. Er war sich nicht schlüssig, ob er etwas unternehmen sollte. Einen einzelnen Indianer in der Prärie zu suchen hatte weniger Aussicht auf Erfolg, als eine Mücke dort aufzuspüren, denn die Mücke summte wenigstens und versteckte sich nicht. Jim beschloß, lieber am verabredeten Ort weiter zu warten.
    Er hatte sich seinen schwarzgefärbten Bart wieder abrasiert und ging bartlos, so wie ihn die Leute hier kannten. Vor der Polizei in Minnesota hatte er in der Wildnis von Nebraska keine Angst; so groß war sein in Minneapolis bekannt gewordenes Verbrechen nicht. Jims Haupthaar sah zum Lachen aus, rötlich an den Wurzeln, noch tintenschwarz an den Spitzen. Aber die ganze Erscheinung Jims reizte nicht zur Fröhlichkeit, obgleich er selbst öfters volltönend zu lachen liebte. Seine graugrünen Augen stachen, seine Lippen waren schmal, die Ohrläppchen angewachsen. Die Energie und Körperkraft, die sich in seinem Körperbau und seinen Bewegungen ausdrückten, wirkten eher furchterregend. ­
    Er hatte keine Lust, sich schlafen zu legen, auch keine Lust, mit den anderen zu trinken. So trieb er sich beim Blockhaus und an den Ufern des Flusses umher, ließ sich den Wind durch die Haare fahren, schaute nach dem Stand der Sterne und überlegte, ob er sich den Eisenbahngesellschaften und Vermessungsexpeditionen als prärieerfahrener Führer anbieten sollte. Jetzt, nachdem die am weitesten nach Westen vorgedrungene Gruppe zugrunde gegangen war, konnte er vielleicht einen besseren Lohn erpressen, als er üblicherweise gezahlt wurde. Aber er verwarf diesen Gedanken wieder, denn er wollte sich nicht binden.
    Mit raschen Sprüngen erklomm er einen kleineren der Sandhügel, die südlich des Blockhauses das Tal des Niobrara abschlossen, legte sich dorthin und spähte umher. Der Sommer war sehr heiß; der Boden hatte so viel Sonnenwärme getrunken, daß es für einen Mann angenehmer schien, die Nacht im Freien zuzubringen als in der stickigen Luft des Blockhauses.
    Jim blieb also auf dem Hügel und hatte seine Büchse zur Hand, obgleich er so nahe beim Hause nicht ernsthaft mit irgendwelchen Gefahren rechnete. Er steckte sich eine Pfeife an, und da er Zeit hatte, gab er sich dem Ärger darüber hin, daß Top noch nicht zurückgekommen war. Rache, das war in Jims Augen nichts als eine der sentimentalen Einbildungen, an denen diese Rothäute litten. Dummheiten waren das, und dafür ging Top vielleicht zugrunde, ehe er …
    Der Ärger stachelte Jim, so daß er jede Lust einzuschlafen verlor und aufmerksam spähte.
    Nach einer guten Stunde erregte irgend etwas seine Aufmerksamkeit. Es war noch keine genaue Wahrnehmung, vielleicht war es auch nur Phantasie, aus der intensiven Beschäftigung seiner Gedanken mit Mattotaupa entsprungen. Aber meist konnte sich Jim auf eine Art Witterung verlassen, die ihm wie einem Wildtier eigen war. Er war als Waise bei Holzfällern im Wald aufgewachsen, war immer von Gefahren und von Feinden umgeben gewesen; seine Pflegeeltern selbst waren ihm nicht viel besser als Feinde begegnet, hatten ihn geschlagen und ausgenutzt, bis er groß und kräftig genug war, dieses Verfahren selbst gegen andere anzuwenden. Die Wildnis war sein Lebenselement.
    Er glaubte sich nicht mehr zu täuschen. Es war ein gleichmäßiges Geräusch zu vernehmen, ein ganz leises, dumpfes Geräusch. Ben zum Beispiel hätte das nie gehört. Aber Jim hörte es und schloß auf ein Pferd, das im Schritt ging. Er begann angestrengt zu lauschen, aber es bedurfte der Anstrengung bald nicht mehr, denn jetzt wirbelte es von Schallwellen durcheinander redender und kreischender heiserer menschlicher Stimmen, die bis zu Jim drangen.
    Weiße sind das, sagte er zu sich selbst, natürlich zivilisierte Weiße; ein so blödes Gequake macht kein Indianer. Aufgeregt sind sie auch. Mal nachsehen, was es gibt! Er huschte den Hügel hinab und erklomm eine Anhöhe, die dem Geräusch näher lag. Jim konnte schnell laufen, schnell wie ein Elch, wenn er wollte. Seine Sehnen und Muskeln waren harte Stränge.
    Von seinem neuen Auslug sah er die Gruppe der Menschen, die geredet und geschrien hatten und nun wieder verstummt war. Jim

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