Die Höhlenkinder 3 – Im Steinhaus
Schwirrer die Wange der Mutter; ihr Schmerzensschrei erschreckte ihn bis ins tiefste Herz; er stürzte vor ihr nieder und umklammerte angstvoll ihre Knie. Sie solle ihm nicht böse sein, das habe er nicht gewollt.
Die blutunterlaufene Stelle auf Evas Wange war noch wochenlang zu sehen! Hansl hatte Ursache, den Kopf hängen zu lassen, und sah die Schwirrhölzer vorläufig nicht mehr an.
Nach der letzten Heumahd und nach der Herbstfruchternte nahm Peter eines Tages seinen Sohn auf die Jagd mit und zeigte ihm, wie man Rehe beschlich und erlegte.
Vergessen waren jetzt die Schwirrhölzer; das Schießen mit Pfeil und Bogen löste sie ab. Nur Raubvögel wollte er schießen, denn Singvögel hatte die Mutter viel zu gern, ihr wollte er um keinen Preis weh tun. Raubvögel und Tauben waren ihm erlaubt. Ja, auch Tauben, und bald steuerte Hansl, der mit Pfeil und Bogen geschickt umzugehen lernte, zur Ernährung bei.
Auch seine Pfeile schnitzte er selber, aus Schilfhalmen. Eines Tages blies er aus reiner Spielerei in einen Halm und zuckte erschreckt zusammen, als ein schriller Ton entstand. Weil er aber allem auf den Grund ging, blies er immer wieder und merkte, daß die Höhe des Tons etwas mit der Länge des Schilfhalmes zu tun hatte: je kürzer der Halm, um so höher der Ton!
Er schnitt sich eine Anzahl verschieden langer Schilfpfeifen zurecht, denen er abwechselnd hohe und tiefe, zeitweise auch so schrille Töne entlockte, daß seine Eltern sich die Ohren zuhielten.
Hansl probierte seelenruhig weiter seine Pfeifen aus, reihte sie zwischen Daumen und Fingern aneinander und übte so lange, bis er den Frageruf der Goldamsel beinahe richtig nachahmen konnte. Die Pfeifen aber, die diesen Wohlklang ergaben, band er an ein flaches Holz und hatte nun eine Rohrflöte von sieben Tönen, die er genau kannte. Seine musikalischen Übungen brachten Eva auf den Gedanken, ihm mit Peters Hilfe ein weniger schrilles Instrument zu verschaffen. Sie erinnerte sich der Darmsaiten am Spannstab, die sie durch Zupfen zum Schnarren gebracht hatte. Zwischen einem kräftigen Schilfhalm und einem Querholz wurden acht Darmsaiten angebracht; sie konnten mit einem Drehpflöckchen verschieden gespannt werden und gaben, wenn man daran zupfte, je nachdem hohe oder tiefe Töne. Das gefiel Hansl so gut, daß er die Töne mitsummte.
Evas Wasseruhr
Trübe, sonnenlose Wintertage kamen. Eva, die in der Tageseinteilung vom Wetter unabhängig sein wollte, erfand einen recht einfachen Zeitmesser. Er bestand aus zwei gleich großen Töpfen, von denen der eine mit Wasser gefüllt, auf einem durchlochten Dreifuß, der andere darunter stand.
Die dicken Topfböden hatte sie mit einem Hartsteinsplitter so weit durchbohrt, daß ein Pfropf, aus einem hohlen Hartriegelstab angefertigt, genau in das Loch paßte. Im Markloch des Pfropfes steckte ein dünnes, in vier Abständen gekerbtes Stäbchen. Eva stellte den mit Wasser gefüllten Topf auf den Dreifuß, und wenn an einem sonnigen Mittag der Schatten des linken Türpflockes der Gartentür auf den linken Rand der Stubentür fiel, zog sie das Stäbchen aus dem Pfropf des oberen Topfes und steckte es in den Pfropf des unteren. Tropfen auf Tropfen fiel dann in das untere Gefäß, in dem unmerklich das Wasser anstieg und es bis zum nächsten Mittag füllte. So hatte Eva es mit verschieden weiten Bohrungen erprobt. War der untere Topf zu einem Viertel voll, so stand der Wasserspiegel bei der ersten Kerbe des Stäbchens: Ein Viertel des Tages war verstrichen.
Am nächsten Mittag wechselte sie die Töpfe aus und goß oben so viel Wasser nach, wie aus einem ihr unerklärlichen Grunde geschwunden war. Wohl stellten sich Ungenauigkeiten ein, wenn ein paar Mittage nacheinander der Sonnenschein ausblieb, aber für Evas Ansprüche ging ihre Wasseruhr genau genug; ihr Arbeitstag war eingeteilt.
Der metallische Ton der Bratpfanne rief nicht nur Hansl und Peter zum Essen, auch Schnurri und die Hunde stellten sich ein, die Schweine grunzten, die Ziegen meckerten, und selbst die Enten schnatterten, denn alle waren gewöhnt, ihr Essen vor den Menschen zu bekommen.
An naßkalten Sonntagen pflegte Hansl, von seiner Mutter angeleitet, die Zeichensteine und Wochenstäbe vor sich hinzulegen, aber bald ordnete er sie selbst nach der Reihenfolge der Geschehnisse, von denen sie berichteten. Und dann erzählte er, was die Mutter erzählt hatte. Er begann, mit Rötel oder Holzkohle auf Mergelschiefer die sprechenden Bilder nachzuzeichnen. Je
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