Die Höhlenkinder 3 – Im Steinhaus
Peter baute noch einen flachen Zwischenboden unter dem schrägen Dach ein, der nach unten die Stubendecke, nach oben einen luftigen Tragboden für die Fruchtvorräte abgeben konnte. Erst als die Stube mit einem Gemisch von Kalkmilch und Lehm freundlich gestrichen war, zog Eva ein und brachte das Heim in Ordnung. Der Winter vermochte den Sonnleitnerleuten nichts mehr anzuhaben.
Wieder war der Frühling ins Land gezogen. Nach einer mondhellen Nacht brachte Peter vom Moorsee eine gefesselte Wildente mit ihren acht Küken, die als gelbliche Flaumbälle Eva und Hansl entzückten. Mit der Klemmschere kürzte Peter die Schwingen der Mutterente und setzte sie in den Hausteich, an dessen oberen Rand er einen niederen Stall baute. Gleich am zweiten Tag ihrer Gefangenschaft fraßen die neuen Ankömmlinge gierig alles, was ihnen gestreut wurde, sie gründelten im kleinen Teich und durchstöberten alle Winkel des eingezäunten Platzes.
Auch die Ziegen und die Fuchshunde bekamen wieder Junge, und ein Schwalbenpaar stellte sich ein. Die unzähligen Fliegen, die den Abfallhaufen neben dem Stall an der Südwand umschwirrten, zogen sie an. Hier gab es Nahrung in Hülle und Fülle, und so dauerte es auch nicht lange, bis sich die Gäste unter dem Dachrand ihr Nest aus feuchten Lehmklümpchen bauten, die sie durch eingezogene Grashalme verbanden. Und ehe eine Woche vergangen war, saß das Weibchen im gemauerten Nest auf ihren Eiern.
Nach weiteren zwei Wochen steckten die fast nackten Jungen abwechselnd ihre unförmigen Köpfe aus dem runden Flugloch der Nestkammer, rissen bettelnd und einander stoßend die Schnäbel auf, sooft eines der Alten Futter brachte. Die Zahl der Fliegen im Stall nahm zusehends ab, die gefräßigen Schwalbenjungen bekamen Federn und machten bald ihre Flugübungen über dem Hof.
Eines Morgens kam Peter, munter pfeifend, vom Neuen Steinschlag herüber. Hoch in seiner Rechten hielt er ein graues, schwarzgezeichnetes Tier, an dem der Hund ungeduldig emporsprang. Er legte Eva eine Wildkatze in die Hände und begann zu erzählen. Er hatte das Raubtier mit einem Pfeil angeschossen, weil es in den Hausfrieden eingebrochen war und sich vom Hof eine Taube geholt hatte. Den Blutspuren folgend, hatte er mit Schnapps Hilfe die verwundete Katze vor einer hohlen Fichte des Urwaldes erschlagen, ehe sie in ihr Nest eindringen konnte, aus dem drei Junge miauend herausgeguckt hatten.
Eva preßte die Lippen zusammen, und auf ihrem Gesicht lag ein Ausdruck tiefer Niedergeschlagenheit. Das Schicksal der toten Taube hatte auf sie wenig Eindruck gemacht. Lebten nicht auch sie, ihr Mann und ihr Kind vielfach vom Fleisch getöteter Tiere? Aber der qualvolle Tod der Katzenmutter, der Hunger der verwaisten Kätzchen griffen ihr ans Herz. Wortlos starrte sie vor sich hin.
Peter, der Dank erwartete, weil er ein Raubtier erlegt hatte, das auch das Leben Hansls hätte bedrohen können, deutete den Ausdruck der Trauer auf Evas Gesicht falsch, er hielt ihn für Mißbilligung seiner Tat, hatte er doch einst gelobt, kein Muttertier zu töten. Er nahm Eva die Beute ab und hängte die Katze verdrossen an den Zaun; später wollte er sie abbalgen.
Unterdessen zog Eva sich und Hansl die schweinsledernen Schuhe an und füllte einen Henkeltopf mit frischgemolkener Milch. Als sie sich zum Fortgehen anschickte, fragte Hansl, dem ihr gedrücktes Wesen auffiel: »Mutter, was hast du denn?« Da zog sie den Kleinen an sich und sagte erregt: »Die große Katze war eine Mutter, so wie ich deine Mutter bin. Der hohle Baum im großen Wald da unten ist ihr Haus, dort hat sie drei Kinder, weißt du? Und die Kinder haben Hunger, essen möchten sie, sie weinen vor Hunger. Da hat sie ihnen was zu essen bringen wollen, hat uns eine Taube genommen, und dafür ist sie erschlagen worden … Und jetzt gehen wir zu den Katzenkindern!« In der Linken den Milchtopf, an der Rechten ihren Sohn, die Augen auf die Spuren ihres Mannes geheftet, strebte die Sonnleitnerin vorwärts durch Jungholz und Gestrüpp, bemerkte da und dort Blut und drang in den Urwald ein. Über vermoderte Baumleichen und niedergetretenes Farndickicht gelangte sie zum Wohnbaum des Raubtieres, an dessen Fuß in einer Blutlache die tote Taube lag. In der Baumhöhle, weit über Evas Kopfhöhe, im Stamm der alten Fichte, zeigten sich die runden Köpfchen dreier Jungkatzen und verschwanden blitzschnell.
An ein Erklettern des Baumriesen, den zwei erwachsene Menschen kaum umspannt hätten, war nicht zu
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