Die hölzerne Hedwig
ein Teppich, aber sie hat keine Anzeige erstattet. Sie meinte, besser ein
Einbrecher im Haus als die Polizei.«
»Lassen Sie mich raten: Sie ist oder sie war mit einem Cop verheiratet.«
Er starrte die Kommissarin an: »Wie kommen Sie denn darauf?«
Eva winkte den Sackmann heran. Streng genommen pfiff sie und er kam sofort. Seinen Namen hatte er von einer gewöhnungsbedürftigen
Angewohnheit. Bevor der erfahrene Spurensicherer zur Arbeit ausrückte, stieg er in einen 100-Liter-Müllsack, dunkelgrau, in
dessen Boden er Löcher für die Beine geschnitten hatte. Als junger Mann hatte er sich so gekleidet, als ein sensibler Tatort
begutachtet werden musste und in der Eile keine reguläre Schutzkleidung aufzutreiben gewesen war. Damals hatte Sackmann seinen
ersten großen Fall gelöst, seitdem setzte er sich gelassen Hohn und Spott aus. »Mit Sack bin ich besser«, pflegte er Fremden
anzuvertrauen, die er damit häufiger in Verwirrung stürzte, als ihm wohl bewusst war. Man hätte ihn zum Psychiater schicken
können, aber Sackmann war ein Ass. Niemand wollte riskieren, dass er sich aufregte oder eingeschnappt war. Es gab keinen Zweiten
von seiner Qualität. Auch der Kommissarin war das Hohelied des Kollegen gesungen worden, bevor sie ihn zum ersten Mal gesehen
hatte. Dass es sich nicht um den Originalsack handelte, leugnete er nicht. Dass er seine Säcke länger trug als optisch vertretbar
war, leugnete er vehement.
Der Rundgang führte durch die Hütte und außen herum. Schweigend deutete Sackmann wohl dreißigmal auf bestimmte Stellen. In
dieser Hütte war gearbeitet worden, |18| gebohrt, weggeschlagen, neu verputzt, aber oft waren die Wunden im Gemäuer und im Fußboden und draußen im sichtbaren Fundament
so belassen worden, wie sie nach den Attacken mit Meißel, Bohrer und Hammer zurückgeblieben waren.
»Er hat etwas gesucht«, murmelte die Kommissarin. Denkbar war ein fanatischer Heimwerker, aber es gab nur wenige Stellen,
wo die abgeschlagenen Steine einer folgenden Reparatur oder Sanierung gedient haben konnten. An viel mehr Stellen sah es so
aus, als sei die Stabilität getestet worden.
»Vielleicht war die Hütte baufällig«, sagte die Kommissarin. »Er wollte auf Nummer sicher gehen, damit ihnen der Spaß nicht
über dem Kopf zusammenbricht. Erst recht, wo sie ein Kind erwarteten.«
Sie folgten Sackmann auf den flachen Dachboden, wo die kleinste der Frauen selbst in der Mitte nicht aufrecht stehen konnte.
Die Neigung war flach wie bei einem Toskanahaus. Wer sich hier oben bewegen wollte, war gezwungen zu kriechen. Knochen und
Federn hatte der Marder in sein Versteck geschleppt.
Eine Dachluke gab es, klein wie zwei Ziegel. Durch das nach oben geschobene einfache Fenster sah die Kommissarin die beiden
Frauen, mit denen sich der Wachtmeister unterhielt. Sie redeten viel, er hörte hingebungsvoll zu.
|19| 4
Zwei Minuten später sprengte sie die Dreiergruppe. Die Körpersprache der Frauen schaltete von vertraulich auf abwartend. Dass
sie Schwestern waren, die eine in den Fünfzigern, die andere etwa zehn Jahre älter, hätte ein Blinder erkannt. Sie hatten
die gleiche Haut und die gleichen feinen Haare, die sie auch auf ähnliche Weise trugen. Sie strahlten etwas aus, was man im
21. Jahrhundert nicht mehr von einer Frau erwartet: Altjüngferlich wirkten sie. Nicht spießig, keineswegs, sie ruhten auf
unerhört altmodische Weise in sich, strahlten die treuherzige Zuversicht von Anthroposophen oder entschiedenen Christen aus.
Sie sind gegen Atomkraft und haben an Sitzstreiks teilgenommen, dachte die Kommissarin. Sie setzen sich in die erste Reihe,
weil die Polizisten bei ihrem Anblick eine Beißhemmung bekommen. Kein gesunder Mann schlägt eine Frau, die seine Mutter sein
könnte. Sie kannte aber auch andere Polizisten.
Gertrud und Amanda Täuber, ihre Namen waren 20 Jahre zu alt für sie. In diese Namen passte man erst ab einem gewissen Alter.
Die Kommissarin dachte: Sie sind viel draußen, ihr Händedruck ist betont resolut, sie lassen sich nicht die Butter vom Brot
nehmen. Ihr Garten ist perfekt. Wenn sie keine Katze haben, hat niemand im Dorf eine. Wenn sie krank sind, gehen sie nicht
zum Arzt, sondern zum Apotheker und nennen ihm die Rezeptur, die er anrühren soll.
»Ist es denn wahr, was man hört?«, fragte Gertrud, die Ältere. Angeblich wusste in Hammerloh jeder Bescheid. Die Kommissarin
blickte den Wachtmeister an, er hielt dem Tadel
Weitere Kostenlose Bücher