Die Hongkong-Papiere
und einen weißen Schal. Seine Augen waren sein seltsamstes Merkmal, wie Wasser auf einem Stein – klar, ohne Farbe –, und um seine Mundwinkel spielte ein ironisches Lächeln. Es war die Miene eines Mannes, der das Leben nicht mehr allzu ernst nahm.
»Da sind Sie ja«, sagte Charles Ferguson. Dillon blickte auf und stöhnte gequält. »Heute können Sie sich nirgends verstek ken. Ich bekomme auch ein Dutzend von denen da und ein Guinness.«
Eine junge Serviererin, die herbeigeeilt war, hatte die Bestel lung gehört. Dillon sagte zu ihr auf irisch: »Ein feiner, edler Engländer, ein Colleen, aber seine Mutter, Gott habe sie selig, war Irin. Also bringen Sie ihm ruhig, was er wünscht.«
Die junge Frau schenkte ihm ein hingebungsvolles Lächeln und entfernte sich. Ferguson nahm Platz, und Dillon sah zu Hannah Bernstein hoch. »Und wer sind Sie, Kleines?«
»Das ist Detective Chief Inspector Hannah Bernstein, Sicher
heitsdienst, meine neue Assistentin, und ich möchte nicht, daß Sie sie verderben. Wo bleibt mein Guinness?«
In diesem Moment erlitt Hannah Bernstein ihren ersten Schock, denn während Dillon aufstand, lächelte er, und es war ein Lächeln, wie sie es noch nie zuvor bei jemandem gesehen hatte: warm und unendlich charmant, und es veränderte seine Persönlichkeit grundlegend. Sie war gekommen in dem Glauben, sie würde Abscheu vor diesem Mann verspüren, aber nun …
Er ergriff ihre Hand. »Was hat denn ein so hübsches jüdisches Mädchen in derart schlechter Gesellschaft zu suchen? Möchten Sie ein Glas Champagner?«
»Ich glaube nicht, ich bin im Dienst.« Sie war ein wenig verunsichert und setzte sich zögernd.
Dillon ging zur Bar, kam mit einem sauberen Glas zurück und füllte es mit Krug. »Wenn Sie Champagner satt haben, haben Sie auch das Leben satt.«
»Was für ein Stuß«, sagte sie, nahm aber das Glas entgegen.
Ferguson brach in brüllendes Gelächter aus. »Nehmen Sie sich vor der in acht, Dillon. Letztes Jahr kam sie einem Gauner in die Quere, der mit einer abgesägten Schrotflinte aus einem Supermarkt flüchtete. Zu seinem Pech hatte sie gerade Dienst in der amerikanischen Botschaft und trug in ihrer Handtasche eine Smith & Wesson spazieren.«
»Also haben Sie ihn auf sein schlechtes Benehmen aufmerk sam gemacht?« fragte Dillon.
Sie nickte. »So könnte man es ausdrücken.«
Fergusons Guinness und Austern wurden gebracht. »Wir haben Ärger, Dillon. Erzählen Sie es ihm, Chief Inspector.«
Als sie ihren kurzen Bericht beendet hatte, nahm Dillon eine Zigarette aus einem silbernen Etui und zündete sie mit einem altmodischen Zippo-Feuerzeug an.
»Wie denken Sie über die Angelegenheit?« erkundigte sich Hannah.
»Nun, alles, was wir definitiv wissen, ist, daß Billy Quigley tot ist.«
»Aber er hat es noch geschafft, mit dem Brigadier zu spre chen«, sagte Hannah. »Was gewiß zur Folge hat, daß Ahern seine Mission abbläst.«
»Warum sollte er?« sagte Dillon. »Sie haben doch nichts anderes in Händen als den Hinweis, daß er die Absicht hat, irgendwann im Laufe des morgigen Tages den Präsidenten mit einer Bombe zu ermorden. Wo? Wann genau? Haben Sie auch nur die leiseste Ahnung? Außerdem möchte ich wetten, daß sein Terminplan ziemlich umfangreich ist.«
»Das ist er wirklich«, gab Ferguson zu. »Am Vormittag das Treffen in der Downing Street mit dem PM und dem israeli schen Ministerpräsidenten. Am Abend dann eine Cocktailparty auf einem Flußdampfer, und zwischendurch noch eine Reihe weiterer Termine.«
»Und er will nichts davon absagen?«
»Ich fürchte, nein.« Ferguson schüttelte den Kopf. »Ich erhielt bereits einen Anruf aus der Downing Street. Der Präsident weigert sich, auch nur eine einzige Änderung vorzunehmen.«
Hannah Bernstein ergriff wieder das Wort. »Kennen Sie Ahern persönlich?«
»O ja«, beantwortete Dillon ihre Frage. »Er hat zweimal versucht, mich zu töten, und außerdem trafen wir zu persönli chen Verhandlungen während eines Waffenstillstands in Derry zusammen.«
»Und seine Freundin?«
Dillon schüttelte den Kopf. »Was immer Norah Bell auch sein mag, seine Freundin ist sie sicher nicht. Sie war ein ganz einfaches Mädchen aus der Arbeiterklasse, bis ihre Familie von einer Bombe der IRA ausgelöscht wurde. Heute würde sie sogar den Papst persönlich töten, wenn sie an ihn herankäme.«
»Und Ahern?«
»Er ist ein ziemlich merkwürdiger Vertreter. Das
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