Die Horde 2 - Die Tochter des Kriegers
nachgedacht. Mehr als einmal, vor allem in den letzten Wochen, hätte ich es fast getan. Aber ich konnte es nicht, noch nicht.«
»Warum nicht?«
»Wegen Khanda. Corvis, ich glaube, ich weiß, wie wir ihn besiegen können …«
Corvis sprang auf die Füße, und seine Gefährten, bis auf Salia Mavere, die Seilloah offenbar nicht für würdig gehalten hatte, geheilt zu werden, folgten ihm nur wenige Sekunden später. Eine kleine Krähe schob den Kopf aus Corvis’ Wams, und aus der freigelegten Erde schossen Wurzeln und Tentakeln
wie die Arme eines Tintenfisches, die von den umliegenden Gärten und Hecken durch die Erde gekrochen waren. Sie schlugen mit unheimlicher Geschwindigkeit zu und schleuderten Khanda und Nenavar zur Seite, während sich andere wie Peitschen um Mellorins Handgelenke schlangen. Das Mädchen schrie auf und die beiden Kholben Shiar fielen polternd zu Boden.
Wieder andere Tentakel fingen die Waffen auf und schleuderten sie mit den Griffen voran quer durch den Raum. Seilloah erhob sich aus dem Wams von Corvis und flatterte zu der zerborstenen Decke hinüber, während er die Waffen noch im Flug auffing. Spalter umklammerte er mit der Linken und hielt ihn hoch, woraufhin die Waffe sofort ihre vertraute Gestalt einnahm. Kralle dagegen schwang er weit hinter den Kopf und schleuderte sie dann erneut durch den Raum. Während der Dolch sich mehrmals überschlug, verwandelte er sich in eine Streitaxt, die Spalter bis auf die Gravuren ähnelte, und landete dann mit einem dumpfen Schlag.
Nicht in Khanda, denn der Dämon war nicht das Ziel von Corvis gewesen, sondern in Nenavar. Der Körper des alten Hexers zuckte heftig, als sein Kopf vom Kuss der Streitaxt gespalten wurde. Dann landete er auf der Erde und blieb für immer reglos liegen.
Totenstille machte sich breit. Langsam richtete sich Khanda von der Stelle auf, wohin die Wurzeln ihn geschleudert hatten. Mit einem wütenden Knurren schleuderte er Nenavars Leiche von sich, während die Überreste des Gehirns seines ehemaligen Meisters immer noch auf seinem Gesicht klebten. Corvis wirbelte Spalter langsam vor sich durch die Luft, bereit für die Reaktion des Dämons.
Mit einem hatte er allerdings nicht gerechnet, nämlich damit, dass Khanda einfach nur dastand und ihn anstarrte, während sich seine Lippen lautlos bewegten. In all den Jahren,
die sie sich nun kannten, und in all den Gestalten, die der Dämon schon angenommen hatte, hatte Corvis noch nie erlebt, dass es ihm die Sprache verschlagen hätte.
»Du«, selbst als der Dämon endlich etwas sagte, schien es ihn fast zu viel Mühe zu kosten, die Worte zu äußern, »Mistkerl! «
»Ach was, Khanda? Mehr fällt dir nicht ein?«
»Kaleb?« Mellorin tauchte neben ihm auf, wobei sie ihre verletzten Handgelenke umklammerte. »Warum nennt er dich so?«
Doch der Dämon ignorierte sie, weil er nur noch Augen für den Mann hatte, den er mehr als alles andere auf der Welt hasste. »Hast du eine Ahnung, wie schwer es für einen Hexer ist, die Beschwörung eines anderen einfach zu übernehmen? Ich habe keine Ahnung, ob es irgendeine lebende Seele gibt, die dazu in der Lage ist. Ich werde Jahre suchen müssen, bevor ich jemanden finde, der Nenavars Zauberspruch usurpieren kann!«
»Bis dahin hast du keine Möglichkeit, dich von den Beschränkungen des Bannes zu befreien, ich weiß.« Corvis zuckte mit den Schultern. »Hast du mir nicht eben selbst vorgehalten, ich hätte versuchen sollen, Nenavar zu töten? Du hattest recht. Übrigens, vielen Dank für den Tipp.«
»Kaleb«, wiederholte Mellorin nachdrücklicher. »Wovon redet er?«
»Ja, Kaleb .« Corvis grinste grimmig. »Sag ihr, wovon ich rede.«
Khanda knurrte und stieß Mellorin zur Seite, nicht hart, aber heftig genug, dass sie taumelte. »Du«, zischte der Dämon ihn an, »bist jetzt ganz offiziell weitaus lästiger als lustig. Sag Lebewohl, Corvis.«
Flammen erhellten die Kammer. Der Stein brach, und nach Schwefel stinkender Rauch stieg durch die Löcher in
der Decke empor, als wollte er flüchten. Corvis und die anderen hatten einen solchen Angriff erwartet und brachten sich hastig in Sicherheit. Corvis rollte weiter, sprang auf und rannte, während Khanda sich umdrehte und ihm ein Höllenfeuer hinterherschickte, das über die andere Wand loderte.
Schweiß strömte ihm übers Gesicht, und sein Herz hämmerte heftig gegen seine Rippen. Durch das Fauchen des Feuers hörte er, dass seine Tochter schrie, aber was sie sagte und ob sie ihn
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