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Die Hüter der Schatten

Die Hüter der Schatten

Titel: Die Hüter der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Frau gestorben war? Eines natürlichen Todes, wohlgemerkt. Die Polizei hatte alles sorgfältig überprüft. Die alte Dame war an ihrem Flügel zusammengebrochen, inmitten ihrer Sammlung alter Cembalos, und eines friedlichen Todes gestorben. Wenn es tatsächlich Gespenster gab, konnte der Geist der alten Frau nur ein freundliches Wispern aus einer anderen, friedvolleren Zeit sein.
    Die Dämmerung brach an. Vier Uhr nachmittags. Teezeit. Kein Wunder, daß die Briten in ihrem nebelverhangenen Land dieses Ritual erdacht hatten, um die unheimlichen blauen Schatten des vom Meer heranziehenden Nebels und der einbrechenden Dunkelheit zu vertreiben. Die Frau knipste das Licht im Atelier an, trat hinaus auf den diesigen Hof und ging an der niedrigen Ziegelmauer entlang zur Küchentür. Auf der rückwärtigen Mauer saß die weiße Katze und putzte sich. Die Frau hatte versucht, das Tier mit Fisch und Leber anzulocken, doch es blieb unnahbar.
    Sie setzte den Wasserkessel auf, und die warmen Lichtreflexe auf den kupfernen Töpfen und die anheimelnden Gerüche von Gemüse in Hängekörben beruhigten sie. Nein, sie würde sich weder von ihren Nerven noch von dem Nebel oder ihrer morbiden Phantasie aus dem Atelier vertreiben lassen und damit die beste Arbeit zunichte machen, die ihr seit Wochen gelungen war. Der Ton besaß gerade die richtige Feuchtigkeit, die perfekte geschmeidige Beschaffenheit. Sogar jetzt noch spürte die Frau die anmutige Form, die sie dem Ton verliehen hatte, als kinästhetische Erinnerung, beinahe wie ein Prickeln in den Fingern. Wenn sie jetzt aufgab, war diese Arbeit für immer verloren.
    Die Frau ging mit der dampfenden Tasse ins Atelier und stellte sie in der Nähe der Töpferscheibe ab. Ohne hinzuschauen, tastete sie nach dem unvollendeten Gefäß und fuhr entsetzt zurück. Statt der anmutigen Kylix spürte sie einen formlosen, schleimigen Klumpen unter ihren Fingern, der sich gallertartig anfühlte, feucht und kalt wie totes Fleisch.
    So etwas war schon einmal geschehen. Damals hatte sie wider besseres Wissen geglaubt, die weiße Katze sei irgendwie ins Atelier eingedrungen und hätte das Gefäß auf der Töpferscheibe zerquetscht. Diesmal aber waren Tür und Fenster geschlossen. Und wo in dem kahlen Atelier hätte eine Katze sich verstecken können?
    Dann sah die Frau das Tier. Es lag auf der Töpferscheibe. Sein Blut vermischte sich mit dem Ton, und die vier Pfoten zuckten noch leicht. Voller Entsetzen stieß die Frau einen leisen Schrei aus. Wie war die Katze hierher gekommen, und wer hatte das Tier so zugerichtet? Versteckte der Täter sich noch im Garten? Lauerte er dort draußen und wartete darauf, als nächstes sie anzugreifen? Die Frau kniete nieder, um den leblosen Körper der Katze genauer zu betrachten, doch als sie zögernd die Hand danach ausstreckte, war der Kadaver verschwunden, und nur noch der Schleim und der formlose Ton bedeckten die Töpferscheibe. Kein gewöhnlicher Einbrecher, kein Gewalttäter hatte so etwas zustande bringen können – nur das Böse, dieses Etwas, das in ihrem Haus umging. Es hatte die wundervollste Arbeit zerstört, die ihr seit einem Jahr gelungen war. Tränen der Wut standen in den Augen der Frau.
    Schon wieder brannte das Feuer herunter. Diesmal hatte sie nicht mehr die Kraft, es wieder zu schüren. Diesmal gab sie sich geschlagen. Sie fuhr hoch, und die Tasse fiel um. Der kochendheiße Tee verbrühte ihr den Knöchel, rann über die Töpferscheibe und die zerstörte Kylix. Vor Schmerz und ohnmächtiger Wut schrie sie auf.
    »Ist gut! Ist gut! Du hast gewonnen! Ich verschwinde! Aber warum? Warum?« Schluchzend vor Zorn über ihre Niederlage eilte die Frau ins Freie und schlug die Tür des Ateliers hinter sich zu.
    Sie sollte es nie wieder betreten.

1
     
     
    Das Haus ist wunderschön.« Bedauernd wandte Leslie Barnes sich von dem Panorama ab, das sich vor ihr ausbreitete: die funkelnden Lichter von San Francisco in der frühen winterlichen Abenddämmerung. An klaren Tagen konnte man von hier aus über die ganze Bucht blicken, bis dorthin, wo jetzt die Lichter der Golden-Gate-Brücke wie ein juwelenbesetztes Band durch den Nebel schimmerten.
    Leslie fragte sich, ob sie um dieser Aussicht willen kleine bauliche Veränderungen vornehmen könnte – das Zimmer neben der Eingangshalle umbauen, zum Beispiel –, sah dann aber ein, daß sie weder die Zeit noch die Kraft erübrigen konnte. Ihre Arbeit ging vor.
    »Wirklich ein hübsches Plätzchen. Das schönste,

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