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Die Hüter der Schatten

Die Hüter der Schatten

Titel: Die Hüter der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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Schmerzen litt. Sie wollte zu ihm stürzen, ihn beruhigen, doch sie war vor Grauen wie erstarrt.
    Emily fand ihre Stimme wieder. »Oh, Simon, du bist verletzt«, rief sie und eilte zu ihm. »Simon«, schluchzte sie, »ich würde dir meine eigenen Hände schenken, wenn es dir nützen würde …« Sie weinte haltlos. »Wie konntest du nur glauben …«
    »Ich habe sie getötet«, sagte Simon mit dumpfer Stimme. »Ich habe sie umgebracht. Und ich hätte Emily zerschmettert, wie ich das Cembalo zerschmettert habe. Ich hätte euch beide ermorden können. Nicht wahr, Colin, ich habe die Instrumente zerstört? Auch Alisons Cembalos. Ich war so … voller Zorn. Ich konnte mit meinem Schicksal nicht leben. Ich habe Alison getötet. Und ich habe die Instrumente im Konservatorium zerstört. Nicht wahr, Colin?«
    »Ich fürchte ja, mein Junge«, antwortete der alte Mann leise.
    »Nur daß ich gar nicht dort war. Ich lag im Krankenhaus und hatte erfahren, daß ich … blind und verkrüppelt weiterleben mußte und nie mehr würde spielen können. Mein Körper lag im Krankenbett und wußte, daß es stimmte. Aber ich selbst … habe mich voller Zorn an einen anderen Ort versetzt … um zu vernichten … und als Heysermann mich zurückwies … habe ich es wieder getan.« Noch einmal schüttelte er wie betäubt den Kopf. »Ich war von Sinnen. Ich muß von Sinnen gewesen sein. Und jetzt …« Benommen starrte er auf den umgestürzten Altar und auf Chrissy die wieder stumm und regungslos dalag.
    »Alison hat dir verziehen«, rief Emily und schlang die Arme um Simon. »Auch ich vergebe dir. Jetzt mußt du dir selbst vergeben!«
    »So einfach ist das nicht«, erwiderte Simon benommen, den Arm fest um Emily gelegt. »Ich hätte es getan … Es schien mir … vernünftig, diese Macht für meine Heilung zu benutzen. Schließlich hatte es schon einmal funktioniert, bei der Katze. Deshalb hielt ich mein Tun für gerechtfertigt … ich wollte mein Leben zurückholen. Und nun seht, was ich euch angetan habe. Dir, Emily, und dir, Colin …« Unendliche Verzweiflung lag in seinen Augen, als er nun Leslie den Blick zuwandte. »Und dir, meine Geliebte«, flüsterte er fast unhörbar. »Ich habe dich, dein Vertrauen, deine Liebe verraten. Du bist … du bist … ich glaube, nicht einmal für dich hätte ich meine Karriere bereitwillig aufgegeben. Aber nur du könntest es mir erträglich machen, müßte ich darauf verzichten.«
    »Oh, Simon, Liebster«, rief Leslie, doch Colin trat zwischen die beiden. Plötzlich wirkte der alte Mann groß und gebieterisch, und seine Hand war wie ein Flammenschwert.
    »Simon«, rief er mit einer Stimme, die wie eine gewaltige Glocke hallte. »Du stehst an einem Kreuzweg. Für deine Tat hättest du tausend Jahre zahlen müssen. Du hättest mich töten können. Schlimmer noch, du hättest beinahe dieses unschuldige Kind ermordet, diese reine Seele, die in diesem unvollkommenen Körper büßt und sich zu reinigen sucht. Was wirst du nun als Opfer darbringen, und was willst du mit der Macht anfangen, die du gerufen hast und die nun wieder von diesem Ort verbannt werden muß?« Colin bewegte die Hand, und Leslie hörte leises Donnergrollen. Der Tempel schien vor verhaltener Spannung zu vibrieren, und aus weiter Ferne vernahm sie das Klingen einer Glocke.
    Plötzlich wußte Leslie, daß sie irgendwann in einer anderen Welt, einer anderen Galaxis oder einer früheren Existenz, schon einmal hatte erleben müssen, wie der Mann, den sie liebte, sich über sein Leben hinaus verdammte und die dargebotene Erlösung zurückwies. Sie liebte Simon, doch sie wußte, daß ihrer beider Leben einmal mehr in der Schwebe hing und daß sie Simon für immer verlieren würde, falls er sich nicht dem Urteil Colins beugte. Sie würde mit Emily in eine andere Stadt ziehen, und ihre Wege würden sich nie wieder kreuzen.
    Plötzlich schien die gesamte Umgebung zu verschwimmen. Für einen Moment war der Raum bloß eine ausgebaute Garage, Emilys Umhang lediglich ein Kostüm und Colin nur ein törichter alter Mann, der in ein närrisches Spiel hineingeplatzt war. Niemand kann mir etwas beweisen! hörte sie Simon sagen. Das Messer ist ausgerutscht, als Colin sich auf mich stürzte, weil der alte Narr glaubte, ich wollte jemanden angreifen. Ich habe bloß ein Spielchen mit den Mädchen getrieben, mit Chrissy und Emily, und ich hätte sie später wohlbehalten nach Hause gebracht. Wir sind hier versammelt, um für Chrissys Genesung zu beten!
    Leslie

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