Die Hüterin der Wölfe (Die Steinzeit-Trilogie) (German Edition)
Axt. Ihr Keil war aus einem Stein, durch den man hindurchsehen konnte und in dem sich das Licht zu spiegeln schien wie auf Wasser. Der, den sie für den Beschwörer hielten, war der größte der Männer. Er hatte helle Haare, in die Federn eingeflochten waren. Er trug eine dicke Jacke aus schneeweißem Fell, eine Kette mit Zähnen verschiedener Art und Größe zierte seinen Hals. Sein Gesicht und seine Hände waren mit filigranen Mustern bemalt. Der Speer in seiner Hand wies mehr Verzierungen auf als die der anderen Männer.
Kittoo trat unbewaffnet, nur mit seinem Stab und ansonsten geöffneten Handflächen aus dem Wald, zwei Schritte auf die Männer und vor allem auf ihren Beschwörer zu und blieb dann stehen. Hinter ihm traten die drei bewaffneten Jäger auf die Lichtung vor der Höhle und blieben ebenfalls stehen.
Es herrschte kurz ein starres Schweigen. Schließlich gab der Beschwörer der fremden Sippe ein Zeichen und seine Männer ließen die Waffen sinken.
Er sagte etwas in Richtung der Neuankömmlinge und Kittoo verstand, dass er wissen wollte, wer sie waren. Er stellte sich und seine Jäger vor, erklärte die Gegend als ihr Territorium, was er mit einer umfassenden Handbewegung untermalte und fragte im Gegenzug, wer die Fremden waren und woher sie kamen.
Obwohl sich ihre Sprache unterschied, war eine Verständigung möglich. Die Worte waren sich sehr ähnlich. Der Beschwörer verstand, dass die Fremden von den großen Bergen kamen und weit gewandert waren auf der Suche nach einer neuen freundlicheren Heimat. Ihre Sippe nannte sich die Männer der Berge, der Beschwörer hieß Telgar.
Die beiden Beschwörer berührten sich an den Händen, um zu versichern, dass keine feindlichen Absichten bestanden. Sie tauschten noch einige Informationen aus, während sich die Männer der Berge langsam entspannten und Frauen und Kinder aus der Höhle neugierig auf die Fremden lugten.
Kittoo gab nun auch seiner Sippe ein Zeichen und sie gingen alle den Weg zur Höhle hinunter. Auch die Wölfin spürte keine Anspannung mehr, eher Neugier und Freundlichkeit und folgte Pinaa zur Höhle.
Die beiden Sippen lernten sich vorsichtig kennen und versuchten sich zu verständigen. Es war ziemlich viel Geschwätz zu hören und Aufregung lag in der Luft.
Die Männer begutachteten vor allem die Waffen der jeweils anderen. Die Axt mit dem merkwürdigen Keil war das interessanteste Objekt. Der durchsichtige Stein war sehr hart und äußerst scharf geschliffen. Es stellte sich heraus, dass die Sippe noch mehr dieser Steine hatte und dass diese aus dem Inneren der hohen Berge waren.
Neben den unbekannten funkelnden Steinen und der anders gestalteten Kleidung, stand die Wölfin natürlich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Alle wollten sie berühren. Ihr rotes Fell faszinierte sie. Anatoo war immer in der Nähe und erzählte allen die Geschichte ihrer Besänftigung, bei der allerdings nicht Pinaa, sondern vielmehr er im Mittelpunkt des Geschehens stand. Pinaa war das egal, aber als sie bemerkte, dass die Wölfin immer nervöser wurde, bat sie Kittoo darum, sich mit ihr zurückziehen zu dürfen.
Da Anatoo inzwischen genug Zuhörer für weitere abenteuerliche Geschichten um sich geschart hatte – vor allem weibliche, was Renaa nicht wirklich gefiel – ließ er zu, dass Pinaa mit der Wölfin hinten in die Höhle ging.
Sie blieben in der Vorhöhle, verkrochen sich aber in das hinterste Ende. Die Wölfin rollte sich zusammen und schloss die Augen. Sie musste sich ausruhen. Pinaa schmiegte sich an sie und kraulte ihr den Kopf.
Sie hatten eine ganze Weile ihre Ruhe, bis ein Junge auf sie zukam. Die Wölfin hob nur kurz den Kopf und schnüffelte. Pinaa richtete sich auf. Es war der Sohn des Beschwörers der Männer der Berge. Zumindest glaubte sie, das verstanden zu haben. Er hatte vorhin neben seinem Vater gestanden, als dieser ihn Kittoo und Anatoo vorstellte. Sie hatte ihn bisher noch nicht vollständig wahrgenommen.
Sein Haar hatte die Farbe von dunklem Honig, seine Augen waren blau wie der Himmel. Er trug eine Kette, an der ein einziger großer Zahn hing, vielleicht ein Bärenzahn. Er lächelte Pinaa an und entblößte dabei eine Reihe gerader weißer Zähne.
„Du bist die Wolfshüterin.“ stellte er fest. Pinaa starrte ihn sprachlos an. Ihr Herz schien zu rasen, ihr Magen drehte sich in alle Richtungen. War es wirklich so heiß in der Höhle? Sie fühlte sich wie damals bei ihrer Reise des Geistes.
Wolfshüterin. Hatte er sie
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