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Die Verratenen

Die Verratenen

Titel: Die Verratenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Poznanski
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1
    Ich weiß, dass etwas Furchtbares passiert sein muss, als Tomma den Raum betritt. Sie weint nicht, sie schreit nicht, doch ich sehe es an ihrem Blick, der mich findet und sofort wieder von mir wegschnellt wie ein scharf geworfener Ball von einer Wand. Ich sehe es an ihren blassen Lippen, an der dunklen Haarsträhne, die ihr achtlos ins Gesicht hängt, vor allem aber an ihren Händen, die so fest verschränkt sind, dass die Fingerknöchel weiß hervortreten.
    Ich unterbreche meine Rede, sie war ohnehin nicht gut, und Grauko, mein einziger Zuhörer, schenkt mir keine Beachtung mehr. Er hat sich zur Tür gewandt. Sollte er aus Tommas Verhalten das Gleiche lesen wie ich, lässt er es sich nicht anmerken. Sein Ton ist gelassen wie immer.
    »Ja?«
    »Es gab … es war …«
    Ich beobachte Tomma, wie sie nach Worten ringt, und fühle, dass meine Kehle sich verengt. Ist eine Kuppel eingestürzt? Gab es wieder Angriffe auf die Außenwachen?
    »Die Expedition …«, stößt Tomma endlich hervor. »Sie sind tot. Alle drei.«
    In mir wird auf einen Schlag alles kalt. Ich gehe in die Knie, bevor mir schwindelig werden kann. Mein Herzschlag dröhnt in meinen Ohren ebenso laut wie Tommas Worte.
    Ihre Lippen zittern, in ihren Augen sammeln sich Tränen, und als sie weiterspricht, entgleitet ihr auch die Stimme. »Raman, Curvelli und Luria. Ein Überfall, gleich nachdem sie … ausgestiegen sind. Die Prims müssen es gewusst haben, sie haben auf der Lauer gelegen –«
    »Tomma!« Grauko ist blass geworden und seine Ermahnung wegen des verpönten Ausdrucks Prims fällt weniger scharf aus als gewöhnlich. Er hat Curvelli und Lu unterrichtet, es muss ihn genauso treffen wie mich.
    Tomma korrigiert sich nicht, wie sie, wie wir alle es normalerweise machen würden. Sie weint und ich möchte das Gleiche tun. Mein Atem geht zittrig und ich kann kaum schlucken.
    Lu, denke ich und sehe ihr Gesicht vor mir, so lebendig wie vor drei Tagen, als wir gemeinsam die Pilze in den Zuchtgewölben untersucht haben. Sie hielt ihre Stablampe mit den Zähnen, während sie Proben nahm und in Glasröhrchen füllte. »Du wirst sehen«, sagte sie, als wir fertig waren, »von draußen bringe ich mehr davon mit. Sie sagen, es gibt wieder neue Spezies, weiter im Süden.«
    Die Expedition sollte den Höhepunkt ihres letzten Ausbildungsjahres bedeuten. Nicht ihren Tod.
    Tomma geht, die Konturen ihrer Silhouette verschwimmen, obwohl ich mit aller Kraft versuche, meine Tränen zu unterdrücken. Lu. Innerhalb eines Monats hatte sie sich in der Reihung drei Plätze vorgearbeitet und jetzt …
    Ich weigere mich, es zu glauben. Es wäre nicht die erste Falschmeldung; vielleicht stellt die Nachricht sich schon heute Abend als Irrtum heraus.
    »Ria? Ist alles in Ordnung?«
    Ich reiße mich zusammen. Nur eine Träne findet den Weg bis zu meinem Kinn und ich wische sie fort, bevor sie zu Boden fallen kann. Grauko sieht mich mit schief gelegtem Kopf an, er schreibt innerlich mit, wie immer. Speichert jede meiner Reaktionen gedanklich ab.
    »Es geht wieder.« Ich nicke ihm zu und will Tomma folgen, vielleicht weiß man in der Zentralkuppel schon mehr.
    »Bleib bitte da, wir sind noch nicht fertig. Ich möchte, dass du eine weitere Rede hältst. Die, bei der du vorhin unterbrochen wurdest, war nicht besonders gut.« Er streicht über seinen kurzen dunklen Kinnbart. »Noch einmal von vorne.«
    Ich starre ihn an. Meint er das ernst? Jetzt? »Ich bin nicht in der richtigen Verfassung. Es sind Freunde von mir –«
    »Deine Verfassung kannst du dir nicht aussuchen. Du musst in jeder Lage fähig sein, dich zu sammeln und die Menschen zu überzeugen.« Sein Lächeln ist voller Verständnis und Schmerz. »Niemand hat gesagt, dass es leicht ist. Und weißt du was? Ich mache es jetzt noch schwerer für dich, ich gebe dir ein neues Thema. Es lautet: Den Clans und Stämmen zu helfen ist unsere Pflicht. Wer die Außenbewohner diskriminiert, hat den Sinn der Sphären nicht begriffen.«
    Grauko ist mein Lieblingsmentor. Von niemandem lerne ich so viel, vor niemandem habe ich so viel Respekt. Doch im Moment würde ich ihn gern anbrüllen: Den Clans zu helfen ist unsere Pflicht? Sie töten unsere Forscher, zerstören unsere Arbeit, überfallen unsere Transporte, brechen den Frieden immer und immer wieder. Und wir? Schicken Hilfspakete.
    Der Gedanke muss aus meinem Kopf, sonst kann ich Graukos Aufgabe nicht erfüllen. Lu muss aus meinem Kopf und das Bedürfnis, denen da draußen mit einem

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