Die Hüterin der Wölfe (Die Steinzeit-Trilogie) (German Edition)
viel zu große Hoffnungen machte. Er wusste nur nicht, wie er ihr helfen konnte. Wie konnte er gleichzeitig hinter ihr stehen, sie in ihren Wünschen und Bemühungen bestärken und doch vor Enttäuschungen bewahren? Er wollte ihr raten, vorsichtig zu sein und nicht darauf zu vertrauen, dass alle es nun gut mit ihr meinten, aber es würde schwer sein, in diesem euphorischen Zustand zu ihr durchzudringen. Wie hätte seine Frau das bloß gemacht?
Vielleicht sollte er sich nicht zu sehr einmischen und sie erst einmal in Ruhe genießen lassen. Vielleicht sollte er lieber mit Kittoo sprechen, um seine Absichten zu ergründen und direkt dort seine Bedenken loszuwerden. Er beschloss, dass das erst einmal das Beste war. Als er schließlich fragte, wie es Minoo gehe, wurde Pinaa bewusst, dass sie seit zwei Tagen nicht mit ihrem Freund gesprochen hatte. Sie hatte nur die Wölfin und die Künste des Heilens im Kopf gehabt und ihn darüber fast vergessen. Schuldbewusst beschloss sie, ihn aufzusuchen und mit ihm gemeinsam die Wölfin dazu zu bewegen, auch die Nacht im Lager zu verbringen.
Minoo schien nicht wütend zu sein. Vielmehr war er sofort bereit, sie zur Wölfin zu begleiten, fasste sich kurz auf Pinaas Frage, wie es ihm gehe und was er erlebt hatte und wollte alles über ihre Erlebnisse hören. Pinaa erzählte ihm, wie sie die letzten beiden Tage verbracht hatte, während sie zum Waldrand gingen, wo die Wölfin es sich in demselben Gebüsch bequem gemacht hatte.
Minoo hatte die gleichen Gedanken wie Pinaas Vater, beschloss aber ebenfalls, sich zunächst herauszuhalten und die Entwicklung dieser seltsamen neuen Freundschaft zwischen dem Beschwörer und dem Mädchen mit dem Wolf abzuwarten.
Die Wölfin begrüßte beide indem sie den Kopf an ihren Händen rieb. Sie spürte, dass sie etwas aufgeregt waren. Vermutlich wollten sie, dass sie mit ihnen in das Menschenlager kam. Diesmal hatte das Menschenweibchen kein Futter als Lockmittel dabei. Ihr Freund sagte etwas zu ihr und deutete ihr dann mit seinem Körper, dass sie ihnen folgen sollte. Er machte das mit aller Ruhe, aber auch einer gewissen Bestimmtheit. Und die Wölfin verstand. Sie wollten nicht allein sein. Sie wollten, dass sie das Lager hütete. Einige der Menschen des Rudels erschienen ihr zwar nach wie vor nicht vertrauenswürdig, aber sie wollte auch bei ihrem Menschenweibchen sein, also folgte sie.
Minoo und Pinaa führten die Wölfin langsam in Richtung Lager. Es wurde schon dunkel. Immer wieder blieben sie stehen, weil die Wölfin unsicher wurde, aber mit viel Geduld brachten sie sie schließlich zu Pinaas Hütte. Da seine Mutter ihn schon gesucht hatte, verabschiedete sich Minoo.
Pinaa hatte Streifen aus behandelter Wildschweinhaut miteinander verflochten, bis eine längere stabile Leine entstanden war. Diese zeigte sie der Wölfin jetzt. Sie ließ sie an ihr riechen und berührte sie ein paar Mal leicht damit. Dann versuchte, ihr die Schlinge des einen Endes um den Hals zu legen. Die Wölfin drehte den Kopf zur Seite und Pinaa zog die Schlinge wieder zurück.
„Schon gut.“ sagte sie beruhigend. „Das ist nichts Schlimmes. Und nur wenn es dunkel wird.“ Sie versuchte es einige Male ganz langsam und schließlich ließ die Wölfin sich anleinen. Pinaa legte die Schlinge des anderen Endes um einen kleinen in die Erde getriebenen Pfahl neben ihrer Hütte, gab der Wölfin einige Fleischstücke und ein Schälchen mit Wasser und streichelte sie. Als die Nacht anbrach, ging sie zu ihrem Vater in die Hütte.
Anatoo hatte in einer seiner Fallen einen Hasen gefangen, ihn gehäutet, ausgenommen und das Fleisch in kleine Stücke geschnitten. Mit diesen war er unterwegs zu der Wölfin. Es war noch recht früh. Pinaa war mit den Frauen am Fluss und sein Vater war mit den Männern hinten in der Höhle, um die heutige Jagd vorzubereiten.
Die Wölfin lag noch da, wo er sie angebunden hatte, an dem kleinen Pflock vor seiner Hütte. Er hatte heute sozusagen die Aufsicht über sie. Sein Vater hatte ihm aufgetragen, ein tieferes Verhältnis zu dem Tier aufzubauen. Anatoo hatte jedoch ganz andere Absichten. Es war ihm nicht entgangen, dass die Sippe sich immer mehr an den wilden Wolf in ihrer Mitte gewöhnte.
Pinaa hatte ihn schon vielen Sippenmitgliedern vorgestellt und die Gelegenheit gegeben, Zeit mit ihm zu verbringen. Der Wolf war immer friedlich gewesen, lief mal mit jenem, mal mit diesem mit, jagte und spielte mit ihnen. Wie auch immer das passiert war, es war
Weitere Kostenlose Bücher