Die Hüterin der Wölfe (Die Steinzeit-Trilogie) (German Edition)
gleichzutun. "Ich glaube, ich weiß, wo hier ein See ist." sagte sie. "Lass mich führen." Tisgar wartete und folgte ihr dann, die Wölfin lief zwischen ihnen.
Es war ein schöner Tag, eigentlich zu warm für diese Zeit, die Sonne schien vom blauen Himmel und überall hörte man Vögel singen. Pinaa fühlte sich leicht und frei. Der kleine See, an den sie sich zu erinnern glaubte, lag ein ganzes Stück entfernt vom Lager, aber sie hatte einen Wolf und einen gut aussehenden, interessanten Jungen bei sich, also konnte ihr nichts passieren und die Mühe lohnte sich. Zudem würde sie einen neuen Heilsaft kennenlernen und darum ging es doch schließlich, oder?
"Ist es noch weit?" fragte Tisgar nach einer Weile. Vermutlich wollte er nur prüfen, ob Pinaa noch wusste, wie es weiterging. Pinaa war allerdings nicht mehr ganz sicher. Sie blieb stehen und sah sich um. Und entdeckte am Rand des Waldes den Zugang zu der kleinen Senke. "Nein, wir sind gleich da." sagte sie erleichtert. Es ging ein Stück abwärts und dann konnten sie den See bereits sehen. Fast malerisch lag er in der schmalen grünen Absenkung zwischen Hügeln und Wald. Als sie näher kamen, sahen sie, dass das Ufer zugewachsen und das Wasser dunkel war. Ein paar kleinere Vögel waren zu sehen, aber es war relativ ruhig. Während die Wölfin den kleinen See umrundete und alles genau untersuchte, blieben Pinaa und Tisgar am Ufer stehen. Die Stimmung nahm sie gefangen. Tisgar nahm Pinaas Hand. Keiner sagte etwas.
Pinaa spürte bei seiner Berührung ein Kribbeln am ganzen Körper. Sie war wie gelähmt und wusste nicht, was sie sagen oder tun sollte. Das war neu für sie. Minoo hatte sie schon so oft berührt, aber sie hatte nie etwas Vergleichbares empfunden. Musste sie reagieren? Aber wie?
Tisgar merkte, dass die Situation schwierig wurde und ließ ihre Hand los. "Dort." sagte er und ging ein paar Schritte. "Das ist der richtige Baum. Und auch die Büsche kann man verwenden." Pinaa war erleichtert und gleichzeitig enttäuscht. "Oh, das ist ja ein Glück." sagte sie nicht sehr überzeugend. Tisgar begann, vorsichtig Rinde von dem besagten Baum zu entfernen, ohne ihn zu stark zu beschädigen. Dann nahm er wieder Pinaas Hand -sofort kribbelte es wieder und Pinaa ärgerte sich, dass sie diese Reaktion offenbar nicht steuern konnte- zusammen mit dem Werkzeug und zeigte ihr, wie sie die Rinde entfernen musste. Dabei drückte sein Körper von hinten an ihren und sie konnte sich kaum auf den Baum konzentrieren. Sie roch seine Haut, spürte seine weichen Hände und das Fell seiner viel zu warmen Jacke. Pinaa wollte weg, bevor sie völlig vergaß, dass sie nur lernen wollte. Sie drehte sich abrupt um, um sich von Tisgar zu lösen, zögerte allerdings einen Moment zu lang von Angesicht zu Angesicht in seinen Armen, und er küsste sie. Pinaa war so überrascht, dass sie ihn wegstieß. Sie hatte noch nie jemanden geküsst. Ja, sie hatte noch nie über so etwas auch nur nachgedacht. Sie wusste nicht, was sie jetzt machen sollte. Tisgar sah sie erschrocken und dann schuldbewusst an. Die Wölfin war dazugekommen und hatte sich schützend vor Pinaa gestellt. "Tut mir leid. Ich ..." setzte Tisgar an. "Nein, schon gut." unterbrach ihn Pinaa. Sie schob die Wölfin sanft beiseite, um zu signalisieren, dass sie nicht bedroht wurde, und ging auf ihn zu. "Ich war nur ... auf die Arbeit konzentriert und habe mich erschreckt." Sie nahm seine Hände und sah ihn an. Jetzt bemerkte sie, dass auch er verunsichert und nervös war. "Aber du hast viele Mädchen in deiner Sippe." "Nein, nein." beteuerte er. "Ich meine, ja, sicher, es gibt Mädchen. Frauen. In unserer Sippe. Aber ... du bist anders. Du bist ..." Er schaute auf seine Füße. "... ich weiß nicht." Sie lachte leise. Er hob den Kopf. "Und es gibt auch viele Jungen in deiner Sippe. Dieser Minoo ..." "... ist nur ein Freund." sagte Pinaa schnell. Jetzt lachte er. Sie sahen sich eine Weile in die Augen. Dann küssten sie sich erneut.
Die Wölfin ließ ein leises Heulen hören.
Pinaa löste sich. "Wir müssen wieder zurück." Sie nahmen die Sachen und gingen Hand in Hand Richtung Lager zurück. In Sichtweite der Sippe ließen sie sich los. Sie erhitzten die gesammelte Rinde über dem Feuer und Tisgar gab Pinaa den fertigen Extrakt. "Wenn jemand an der inneren Hitze leidet, so dass er sich schon schüttelt, dann muss er den Saft langsam trinken. Ein paar Schlucke bei Sonnenaufgang, dann ein paar, wenn sie aufgestiegen ist und noch
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