Die Huette
waren leise Schnarchtöne zu hören, während im Fernsehen eine Reportage über einen Schüler in Simbabwe lief, der verprügelt worden war, weil er die Regierung seines Landes kritisiert hatte. Aber Mack hatte bereits das Zimmer verlassen, um mit seinen Träumen zu ringen. Vielleicht würde es in dieser Nacht keine Albträume geben, nur Visionen von Eis und Bäumen und Schwerkraft.
2 - Die Dunkelheit wächst
Nichts macht uns so einsam wie unsere Geheimnisse.
Paul Tournier
Irgendwann in der Nacht wehte ein unerwarteter Chinook durch das Williamette Valley und befreite die Landschaft aus dem eisigen Griff des Sturms, mit Ausnahme jener Dinge, die im tiefsten Schatten verborgen lagen. Innerhalb von nur vierundzwanzig Stunden wurde es frühsommerlich warm. Mack schlief bis spät in den Morgen einen traumlosen Schlaf von jener Sorte, bei der man nach dem Aufwachen das Gefühl hat, es wäre nur ein Augenblick vergangen.
Als er schließlich vom Sofa kroch, stimmte es ihn etwas verdrießlich, dass das Eis-Chaos so schnell wieder verschwunden war. Aber eine Stunde später trafen Nan und die Kinder ein, und Mack freute sich über das Wiedersehen. Zuerst wurde er wie erwartet dafür ausgeschimpft, dass er seinen blutbefleckten Kleiderhaufen einfach liegen gelassen hatte, statt ihn in die Waschküche zu bringen. Darauf folgten Nans angemessene und für ihn höchst befriedigende Ohs und Ahs, als sie seine Kopfwunde untersuchte. Diese Form der Aufmerksamkeit gefiel Mack sehr. Bald darauf hatte Nan ihn gesäubert, verbunden und aufgepäppelt. Den Brief, obwohl in seinen Gedanken stets präsent, ließ er unerwähnt. Er wusste immer noch nicht, was er davon halten sollte, und er wollte Nan nicht damit belasten, falls sich herausstellte, dass es sich um einen grausamen Scherz handelte.
Kleine Ablenkungen wie dieser Eissturm brachten eine willkommene, wenn auch kurze Erleichterung, doch anschließend hatte Macks ständiger, unheimlicher Gefährte ihn wieder voll im Griff: die Große Traurigkeit, wie er es nannte. Nach dem Sommer, in dem Missy verschwunden war, hatte die Große Traurigkeit sich auf ihn gelegt wie ein viel zu schwerer Mantel. Diese Last ließ seinen Blick stumpf werden und beugte seine Schultern. Und seine Versuche, sie abzuschütteln, ermüdeten ihn zusätzlich. Es schien, als wären seine Arme in schwarze Falten der Verzweiflung eingenäht, sodass er irgendwie ein untrennbarer Teil dieser Dunkelheit geworden war. Er aß, arbeitete, liebte, träumte und spielte in diesem schweren Gewand, das an ihm zerrte wie ein Bademantel aus Blei - und täglich trottete er durch trübe Verzweiflung, die allen Dingen die Farbe aussaugte.
Manchmal schien es ihm, dass sich die Große Traurigkeit wie die zermalmenden Windungen einer Riesenschlange langsam um seine Brust und sein Herz zusammenzog und ihm die Tränen aus den Augen presste, bis er sich innerlich völlig ausgetrocknet fühlte. Zu anderen Zeiten träumte er, mit den Füßen in zähem Morast festzustecken. In diesen Träumen sah er Missy über einen Waldweg laufen, ihr geblümtes Sommerkleid vergoldet von Wildblumen, die zwischen den Bäumen aufleuchteten. Sie bemerkte nichts von dem dunklen Schatten, der sie verfolgte. Obwohl Mack verzweifelt versuchte, zu rufen und sie zu warnen, drang kein Laut über seine Lippen. Jedes Mal war er zu spät und zu schwach, um sie zu retten. Dann schreckte er aus dem Schlaf, saß senkrecht im Bett, der gequälte Körper schweißüberströmt, und Übelkeit, Schuldgefühle und Trauer schlugen über ihm zusammen wie eine surreale Flutwelle.
Die Geschichte von Missys Verschwinden wird im Gegensatz zu anderen solchen Geschichten nicht oft erzählt. Das alles trug sich am Wochenende des Labor Day zu, dem letzten Hurra des Sommers vor dem Beginn des neues Schuljahres und der herbstlichen Alltagsroutine. Mack traf die kühne Entscheidung, mit seinen drei jüngeren Kindern zum Sommerabschied einen letzten Campingausflug zum Wallowa-See ins nordöstliche Oregon zu unternehmen. Nan war bereits für einen Weiterbildungskurs in Seattle gebucht, und die beiden ältesten Jungen befanden sich am College und in einem Sommercamp. Aber Mack vertraute darauf, dass er über die richtige Mischung aus Outdoor- Erfahrung und mütterlichen Fähigkeiten verfügte. Schließlich war Nan ihm, was Letzteres betraf, eine ausgezeichnete Lehrerin.
Alle wurden von Abenteuerlust und Campingfieber gepackt, was zu großem Trubel führte. Wäre es nach Mack gegangen,
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