Die Huette
hätten sie einen Möbelwagen vor das Haus gestellt und für das lange Wochenende einfach alles umgeladen, was hineinpasste. Inmitten des ganzen Durcheinanders verspürte Mack das dringende Bedürfnis nach einer Erholungspause und machte es sich in seinem väterlichen Sessel bequem, nachdem er Judas, die Familienkatze, daraus verscheucht hatte. Er wollte gerade den Fernseher einschalten, als Missy hereinrannte, mit ihrer kleinen Plexiglaskiste in den Händen.
»Kann ich meine Insektensammlung mit zum Zelten nehmen?«, fragte sie.
»Du willst deine Krabbeltiere mitnehmen?«, brummte Mack, nicht sonderlich interessiert.
»Daddy, das sind keine Krabbeltiere. Es sind Insekten. Schau, ich habe ganz viele von ihnen hier drin.«
Widerstrebend wandte Mack seine Aufmerksamkeit seiner Tochter zu, die sofort anfing, ihm den Inhalt ihrer Schatzkiste zu erläutern. »Siehst du, hier sind zwei Grashüpfer. Und da auf dem Blatt, da sitzt meine Raupe und irgendwo ... Ah, da ist er! Siehst du meinen Marienkäfer? Und eine Fliege ist auch irgendwo hier drin, und zwei Ameisen.« Während Missy ihre Sammlung einer Bestandsaufnahme unterzog, nickte Mack dazu mit dem Kopf und gab sich alle Mühe, interessiert zu wirken.
»Also«, sagte Missy schließlich, »was ist? Kann ich sie nicht doch mitnehmen?«
»Aber natürlich, mein Schatz. Vielleicht sollten wir sie da draußen in der Wildnis zusammen freilassen?«
»Nein, kommt nicht infrage!«, ertönte eine Stimme aus der Küche. »Missy, du musst deine Sammlung zu Hause lassen, Schatz. Hier sind sie besser aufgehoben, glaub mir.« Nan steckte den Kopf herein und runzelte liebevoll die Stirn, was Mack achselzuckend zur Kenntnis nahm.
»Ich hab's versucht«, flüsterte er Missy zu.
»Grr«, knurrte seine jüngste Tochter. Aber sie wusste, dass die Schlacht verloren war, nahm ihre Kiste mit den Insekten und verschwand.
Am Donnerstagabend war der Van überladen und der Zeltanhänger angekuppelt, und Licht- und Bremsentest waren durchgeführt worden. Früh am nächsten Morgen, nach einem letzten Vortrag Nans über Sicherheit, Gehorsam, Zähneputzen, das nicht erlaubte Mitbringen streunender Katzen und zahlreiche andere Dinge, brachen sie auf. Nan fuhr auf der Interstate 205 in Richtung Seattle und Mack steuerte auf der Interstate 84 mit den drei Amigos Richtung Osten. Am nächsten Dienstagabend, unmittelbar vor dem ersten Schultag, wollten sie wieder zurück sein.
Die Columbia River Gorge ist schon für sich eine Reise wert. Mit ihren vom Fluss ins Land gegrabenen Mesas, die in der Spätsommerwärme schläfrig Wache stehen, bietet sie atemberaubende Panoramen. Im September und Oktober ist das Wetter in Oregon oft am besten: Der Indianersommer beginnt in der Zeit des Labor Day, des Tages der Arbeit, der in den USA am ersten Montag im September gefeiert wird, und hält sich bis Halloween, ab da wird es dann schnell kalt, nass und unangenehm. Dieses Jahr bildete keine Ausnahme. Autoverkehr und Wetter kooperierten wunderbar, und die Crew im Auto merkte kaum, wie die Zeit und die Kilometer vergingen.
Die vier machten einen Zwischenhalt in Multnomah Falls, um ein Malbuch und Buntstifte für Missy und zwei preiswerte wasserdichte Einwegkameras für Kate und Josh zu kaufen. Dann beschlossen sie, den kurzen Pfad zur Brücke oberhalb des Wasserfalls hinaufzusteigen. Früher hatte dort ein Weg um den Hauptteich herum in eine Höhle hinter dem herabstürzenden Wasser geführt, aber er war wegen Steinschlaggefahr von der Parkbehörde gesperrt worden.
Missy liebte diesen Ort, und sie bettelte, Mack solle ihr die Geschichte von dem schönen Indianermädchen erzählen, Tochter des Häuptlings vom Stamm der Multnomah. Es kostete einige Überredung, aber schließlich gab Mack nach und erzählte die Geschichte zum wiederholten Mal, während sie alle in den Dunst hinaufstarrten, der die stürzenden Wassermassen umgab.
Die Erzählung kreiste um eine Prinzessin, das einzige Kind, das ihrem alternden Vater geblieben war. Der Häuptling liebte seine Tochter von ganzem Herzen und suchte einen wirklich guten Ehemann für sie aus, einen jungen Kriegerhäuptling aus dem Clatsop-Stamm, von dem er wusste, wie sehr seine Tochter ihn liebte. Die beiden Stämme trafen sich, um zusammen die Hochzeit zu feiern. Doch ehe das Fest beginnen konnte, breitete sich eine schreckliche Krankheit unter den Männern aus, die viele das Leben kostete.
Die Stammesältesten und Häuptlinge trafen sich, um zu beraten, was sie
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