PR 2679 – Der Herr der Gesichter
1.
Von einem, der existierte
Doppelgalaxis Chalkada
Existenz.
Er bemerkte seine Existenz.
Die Information saß zuoberst auf einer Ansammlung von Informationen. Aber nicht nur seine eigene Existenz bemerkte er. Er war nicht bloß eine Existenz, er war viele Existenzen.
Viele Stimmen, viele ... Gesichter.
Sie schrien ihm zu, als wollten sie etwas von ihm. Er fühlte ...
Was fühlte er?
Er wusste genau, dass er die Informationen dazu besaß, was er fühlte, aber sie waren irgendwo in diesem Geschrei vergraben, versteckt.
Da!
Er identifizierte zwei Informationen, die zusammengehören mussten. Gleich darauf fand er eine dritte, setzte sie mit den anderen beiden zusammen. Weitere kamen hinzu, bildeten eine Kette von Informationen.
Er fühlte Verzweiflung. Ja, genau, das war es. Verzweiflung. Denn etwas war geschehen – oder besser gesagt: Etwas war nicht geschehen, was unbedingt hätte geschehen müssen.
Dieses Ereignis war die Ursache dafür, dass er Verzweiflung spürte. Ein Plan war gescheitert. Ein großer Plan, ein wichtiger Plan. Einer, der eng mit seiner Existenz verknüpft gewesen war.
Weitere Informationsketten flossen ihm zu. Sie verwoben sich zu einem Netz, in sich logisch, in sich stimmig – er ging davon aus, dass die noch ungeordneten Informationen sich ebenso stimmig in das Gesamtbild einfügen würden.
Je größer das Netz wurde, desto differenzierter wurden die Gefühle, die ihn beherrschten.
Er fühlte sich erhaben und mächtig. Gleichzeitig aber auch schwach.
Fasziniert ergründete er das Geheimnis seiner Existenz. Seiner Werdung. Dann sah er sie.
Die vier.
Mit ihnen hätte er sich vereinigen sollen. Es war nicht geschehen.
Das war der Plan gewesen. Der große Plan, der gescheitert war. Um wirklich zu werden, hätte er sie benötigt. Die vier.
Er beobachtete sie.
Er spürte genau, dass es ihnen schlechter ging als ihm. Er fühlte ihre Unruhe und Verwirrung. Sie hatten die Verbindung mit ihm verweigert. Aus Angst, aus purer, nackter Angst.
Die große Vereinigung war sabotiert worden, keinen anderen Grund gab es.
Vorsichtig schwebte er auf die vier zu. Vielleicht war es noch nicht zu spät. Vielleicht konnte er die Vereinigung mit ihnen nachholen. Irgendwie.
Als sie seine Annäherung bemerkten, explodierte ihre Angst in Panik. Die vier flohen in wilder Hast. Er verfolgte sie, bis das Schreien der Gesichter in ihm so laut wurde, dass er seine eigenen Gedanken nicht mehr hörte.
Gepeinigt gab er seine Anstrengung auf, horchte in sich hinein, versuchte zu verstehen, was die Stimmen ihm sagen wollten.
Hunger.
Das war es. Immer wieder dieser Begriff. Sie hungerten, gierten nach Energie. Aber nicht nur sie. Das Informationsnetz sagte ihm, dass sie eine Gemeinschaft bildeten, er und die Gesichter in ihm. Sie waren ein Kollektiv aus ... Bewusstseinen.
Sie waren er, und er war sie. Er war gleichzeitig Hülle und Essenz dieser Gesichter. Wenn sie ihn nun anschrien, dass sie nicht mehr konnten, dass ihnen die Energie fehlte, um die immense Anstrengung zu tragen, galt dies ebenso für ihn.
Die vier verschwanden aus seinem Sichtfeld, verloren sich zwischen den Sternen.
Würde er sie wiederfinden, um die Verschmelzung letztlich wahr werden zu lassen?
Wahrscheinlich nicht.
Er fühlte, dass seine junge Existenz auf der Kippe stand. Wenn er sich nicht so schnell wie möglich frische Lebensenergie zuführte, würde er, würden alle Gesichter in ihm vergehen.
Er horchte tiefer in sich hinein. Hörte die verzweifelten Stimmen der ... Wie hatten sie sich genannt?
Oraccameo?
Eine Stimme klang besonders stark. Sie erhob sich aus dem Meer der Schreie.
»Wer bist du?«, fragte er. »Weshalb ist deine Stimme lauter als die jedes anderen?«
»Mein Name ist Wörgut Gooswart. Ich war ein Oraccameo. Die anderen Bewusstseine wollen, dass ich für sie, für uns alle spreche, QIN SHI.«
»Wie nennst du mich?«
»Du bist QIN SHI. Der Herr der Gesichter. Du bist die Essenz eines ganzen Volkes – nun ja, fast des gesamten Volkes der Oraccameo. Wir haben ...«
QIN SHI hörte dem Bewusstsein, das sich Wörgut Gooswart nannte, geduldig zu, obwohl das Schreien und Lechzen nach Energie der anderen Gesichter ständig intensiver wurde. Gooswart verband viele lose Fäden des Informationsnetzes, das er zuvor nur mühsam zusammengesetzt hatte.
Er erfuhr vom großen Plan der Unsterblichkeit eines Führers namens Tion Youlder.
Von den Einflüsterungen eines Sklaven namens Maran Dana Fogga, der sich als
Weitere Kostenlose Bücher