Die Hure Babylon
und zwinkerte Jamila verschwörerisch zu.
»Das hatte seine Gründe«, antwortete
Domna
Anhes etwas spitz. »Deine Stiefmutter liebte es nicht, wenn man allzu viel Aufhebens um dich machte.«
In der Tat. Ich hatte nicht die glücklichste Kindheit verbracht. Meine Mutter war so früh verstorben, dass ich mich kaum an sie erinnern konnte, und das Leben mit la Bela, meiner Stiefmutter, hatte immer etwas von Misstrauen und gegenseitigem Belauern gehabt. Als ich sechs Jahre alt war, hatten Krieger die Waffen und Rüstung meines Vaters heimgebracht. Er war in Spanien, im Kampf gegen die Mauren, gefallen. Und einige Jahre später wurde auch mein älterer Bruder zu Grabe getragen. Diesen traurigen Umständen habe ich es zu verdanken, dass das Erbe der Vizegrafschaft Narbona auf mich gekommen ist, wenn auch erst nach langem Kampf gegen fremde Ansprüche. Nicht zuletzt gegen den mörderischen Ehrgeiz meiner Stiefmutter.
»Ich wünsche nicht, dass man hier von la Bela redet«, sagte ich. »Die hat genug Unheil angerichtet. Gebe Gott, dass wir sie niemals wiedersehen.«
Domna
Anhes zuckte gleichmütig mit den Schultern: »Auch wenn es dir nicht gefällt, sie ist immer noch Ninas Mutter.«
Nina war meine jüngere Halbschwester, und ich vermisste sie sehr. Viel zu jung hatte ich sie nach Spanien vermählen müssen als Teil der Vereinbarung mit den mächtigen Katalanen. Mein Narbona war von Barcelonas Wohlwollen und dem der anderen großen Fürstentümer des Landes abhängig.
Domna
Anhes sah sich in der Kammer um. Selten entging ihr etwas, und so fiel ihr Blick unweigerlich auf den säuerlich riechenden Auswurf, der auf dem Waschwasser schwamm. Mit Stirnrunzeln beugte sie sich darüber.
»Bist du schwanger?«, fragte sie misstrauisch, und der missbilligende Ton in ihrer Stimme war nicht zu überhören.
»Freu dich doch«, erwiderte ich. »Mit zwanzig sind andere längst glückliche Mütter.«
»Solange sie keine Bastarde werfen.«
Anhes konnte rücksichtslos ehrlich sein. Ihre harschen Worte trieben mir Tränen in die Augen. Aber Jamilas beruhigende Hand auf meiner Schulter milderte meine Antwort.
»Du weißt, ich kann Arnaut nicht heiraten.«
»Natürlich nicht. Du bist ja schon verheiratet. Auch wenn diese Verbindung nur zum Schein besteht und du diesen Bernard seit der Trauung nicht mehr gesehen hast …«
»Ein Unbekannter, der nie mein Bett geteilt hat.«
»Dann bitte um Aufhebung. Der Papst wird sie dir nicht verweigern.«
Ich senkte den Kopf. »Das ist unmöglich.«
Die Vermählung mit jenem Bernard d’Andusa war nur ein elendes Possenspiel gewesen. Ein Kuhhandel, um die Belange der regionalen Fürstenhäuser zu achten und den Frieden zu wahren. Angeblich konnte man einem schwachen Weib nicht trauen, und so wurde eine Scheinehe zur Gewährleistung, dass das reiche und strategisch wichtig gelegene Narbona nicht als Mitgift in falsche Hände geriet.
Der vorgetäuschte Ehemann, ein Baron aus dem Bergland der Cevenas, besaß laut Vertrag keinerlei Rechte. Meine Einwilligung war die Bedingung für meine alleinige Herrschaft über Narbona gewesen. Ungewöhnlich genug für eine Frau, ich gebe es zu. Doch der Preis war, dass ich nie ein Familienleben so wie andere würde führen dürfen. Natürlich wussten in Narbona alle, wie es um Arnaut und mich stand, aber in der Öffentlichkeit mussten wir die Formen wahren.
Domna
Anhes warf mir einen strengen Blick zu. »Ein uneheliches Kind wird nur Wasser auf die Mühlen deiner Feinde gießen. Das weißt du so gut wie ich. Besonders Erzbischof Leveson …«
»Der soll mir gestohlen bleiben«, erwiderte ich trotzig. »Meine Lage ist entwürdigend genug. Ich werde nicht auch noch auf Kinder verzichten.«
Ich war von Dienern umgeben aufgewachsen. Da ist man selten allein. Und doch hatte ich als Waisenkind unter Einsamkeit gelitten, mich ständig von hundert fremden Augen beobachtet gefühlt, ohne die Geborgenheit liebender Eltern. Vielleicht wünschte ich mir deshalb nichts sehnlicher als einen Gemahl und eine lärmende Kinderschar.
»Wie du meinst«, sagte Anhes. »Und da wir vom Papst sprechen, unten ist einer, der sogar noch wichtiger als der Heilige Vater ist. Du solltest ihn nicht länger warten lassen.«
»O mein Gott«, rief ich erschrocken. »Warum hast du das nicht gleich gesagt? Ausgerechnet
Abas
Bernard,
mon Dieu,
und ich komme zu spät. Wie konnte ich ihn vergessen?«
Abt Bernard de Clairvaux, Gründer eines wahren Klosterimperiums, Kirchengelehrter,
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