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Die Hure: Roman (German Edition)

Die Hure: Roman (German Edition)

Titel: Die Hure: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Gustafsson
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nimmt mich ziemlich in Anspruch. Und dann natürlich …«
    »Ja?«
    »Willst du ihn sehen?«
    »Wen?«
    »Er ist oben in der Kinderabteilung.«
    »Ach so! Ja!«
    »Können wir den Aufzug nehmen? Die Treppe ist mir zu anstrengend.«
    Der kleine Morpheus sitzt an einem Tischchen und liest Pippi Langstrumpf. Wegen seiner Zweisprachigkeit hat er noch ein wenig Schwierigkeiten mit dem Finnischen, aber mit zwei Jahren kann er schon fließend lesen.
    »Morpheus«, flüstert Milla.
    Morpheus hebt den Zeigefinger: Er will das Kapitel zu Ende lesen.
    »Ist das deiner? Im Ernst?«
    »Ja.«
    »Er kommt mir so bekannt vor.«
    »Der Sohn seiner Mutter.«
    »Nein, warte mal. Erinnerst du dich an den ›Freundinmann‹?«
    Morpheus blickt zu seiner Mutter auf. Er hat die Lektüre sehr genossen. Literatur macht das Leben auch dann lebenswert, wenn die Windel drückt. Seine Mutter ist nicht allein, sie spricht mit einer Bibliothekstante. Die Bibliothekstante kommt ihm bekannt vor.
    Das Kind hebt die Arme wie zur Umarmung. Freudig überrascht geht Milla zu dem Jungen und drückt ihn an sich. Morpheus erwidert die Umarmung nur kurz, dann macht er sich los und zeigt auf Kalla. Kalla ist unsicher; sie hat zwar schon Kinder gesehen, aber noch nie eines berührt.
    »Mir scheint, er will zu dir auf den Arm«, sagt Milla verlegen.
    »Okay.« Vorsichtig nimmt Kalla das Kind in die Arme. Es ist überraschend schwer. »Halte ich ihn so richtig?«
    Morpheus weiß, dass die Bibliothekstante keine richtige Bibliothekstante ist.

    »Mutti, warum sind die Tiere im Käfig?«
    »Weil das wilde Tiere sind, Schätzchen. Die würden sonst ausbrechen und uns auffressen.«
    »Aber warum sind sie nicht in Afrika?«
    »Weil es ihnen da vielleicht nicht so gut ginge, Schätzchen.«
    »Warum nicht?«
    »Na, weil da Menschen leben, die ihnen Böses wollen. Sie wollen sie aufessen oder ihnen das Fell wegnehmen oder den Stoßzahn oder so.«
    »Mutti, warum sind da Kaninchen? Das sind keine wilden Tiere.«
    »Ich glaube, die werden an die anderen Tiere verfüttert, Schätzchen.«
    »Das ist blöd. Ich mag nicht hier sein.«
    Milla und Kalla sind zum ersten Mal mit Morpheus in den Zoo gegangen.
    »Mutti, ich muss weinen.«
    Milla nimmt den Jungen in die Arme.
    »Ich hätte wissen müssen, dass es ihm hier nicht gefällt. Der Streichelzoo war schon die reinste Katastrophe, als er gehört hat, dass die Lämmer im Herbst geschlachtet werden.«
    »Wieso erzählen sie Kleinkindern solche Sachen?«
    »Irgendwie hat er es geschafft, die richtigen Fragen zu stellen. Oder die falschen. Er wollte wissen, wo die Lämmchen vom letzten Jahr sind, weil kaum ausgewachsene Schafe da waren.«
    »Ach, Kleiner.« Kalla nimmt den Jungen Huckepack.
    Milla studiert die Wegweiser. »Wo mögen sie sein?«
    »Ich weiß nicht. Einmal habe ich bestimmt zwei Stunden nach dem Faultier gesucht und es doch nicht gefunden.«
    Morpheus entdeckt das Schild der Südostasien-Abteilung.
    »Mutti, da bin ich geboren!«
    »Nee, im Zoo bist du ganz bestimmt nicht geboren.«
    »Er meint wahrscheinlich den Kontinent.«
    »Ach so, ja. He, bestimmt sind sie da drinnen.«
    »Bist du sicher, dass du sie sehen willst?«
    »Wieso?«
    »Na ja, weil du sie kennst. Und für Morpheus ist das vielleicht auch nicht der richtige Anblick.«
    »Ach, weißt du, der kennt schon so vieles, dass er nicht so leicht erschrickt.«
    In dem Gebäude hört man Vögel zwitschern und Wasser plätschern. Die Luft ist feucht und heiß. In den Terrarien kriechen Spinnen und Krebse. In einem wandhohen Aquarium schwimmen blaue Fische. Am Ende der Halle befindet sich ein mit Plexiglas abgetrennter Bereich.
    »Mutti, warum sind da Kinder?«
    »Na ja, Schätzchen … Das sind eigentlich keine Kinder. Sie sehen nur so aus.«
    Kalla seufzt. In der Plexiglasbox heben sich zwölf Köpfe. Das heißt, es ist keine Box. Es ist ein Zimmer, ein Klassenzimmer, mit Tafel, Pulten und einer richtigen Lehrerin, die allerdings so ähnlich gekleidet ist wie ein Imker. Milla und Kalla können ihr Gesicht nicht sehen.
    »Mutti, ist es in der Schule so wie da?«
    »Ich weiß nicht. Ich erinnere mich nicht mehr.«
    »Kalla?«
    »Ja, so ähnlich.«
    »Mutti, muss ich wirklich zur Schule gehen?«
    »Die Schule ist eine gute Sache, Schätzchen.«
    In dem Zimmer mit der Plexiglaswand sitzt ein Dutzend Mädchen, die keine ganz gewöhnlichen Mädchen sind. Ihre Haut ist teils schwarz und glänzend wie Plastik, teils normal und hell. Ihre Kleider scheinen ihnen nicht

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