Die Hure Und Der Moench
gewesen sein könnte?«
»Es war sicher jemand, der eine Vendetta mit ihm auszufechten |34| hatte«, gab der Vater vorsichtig zurück. »Da sollten wir uns nicht einmischen, sonst ergeht es uns am Schluss wie diesem Mann. Und auch du, Angelina, solltest lieber an etwas anderes denken als an diesen Unglücksfall.«
»Nur, weil die Signoria diesem schrecklichen Mönch hörig ist, dürfen wir doch eine solche Tat nicht ungesühnt lassen!«, begehrte Angelina abermals auf.
»Das war mein letztes Wort, und basta!«, entschied ihr Vater.
»Sobald Gras darüber gewachsen ist, suchen wir einen neuen Mann für dich aus, Angelina, einen passenderen diesmal«, ließ sich die Mutter vernehmen. Clementina und Rodolfo saßen mit großen Augen und gefalteten Händen da. Sie hatten ganz vergessen zu essen. Die Magd Sonia, eine dralle kleine Schwarzhaarige vom Land, kam herein und räumte Geschirr weg. Sie hatte wohl die letzten Worte Signora Girondos gehört, denn sie zwinkerte Angelina kaum merklich zu.
»Und was wäre, wenn ich schon einen … passenden Mann für mich hätte?«, sagte Angelina leise. Signora Girondo fiel der Löffel aus der Hand, so dass sie die Suppe verspritzte.
»Meinst du etwa diesen hergelaufenen Maler?«, fragte sie.
»Das kann doch nicht dein Ernst sein!«, rief ihr Vater und warf seine Serviette auf den Tisch. Sonia erschien an der Tür mit dem Nachtisch, doch Signor Girondo winkte sie hinaus.
»Von nun ab wird dich Sonia zu dem Maler begleiten«, sagte Angelinas Mutter mit einem entschlossenen Zug um den Mund. »Und du wirst die Zeiten, die wir dir vorgeben, genau einhalten!«
»Warum kommt Ihr nicht gleich selbst mit?«, fragte Angelina ihre Mutter müde.
»Das kommt nicht in Frage. Du weißt doch, was es heißt, einem Haus mit einer vielköpfigen Dienerschaft vorzustehen, da habe ich keine Muße für so etwas.«
Angelina erkannte ihre Eltern kaum wieder. Ein Widerwillen stieg in ihr auf, gegen all die unsinnigen Verbote, hier zu Hause wie draußen auf der Straße.
|35| »Signor Venduti hat mir übrigens angeboten, ein Kleid für mich machen zu lassen. In dem kann mich Francesco malen. Oder wollt Ihr, dass ich auf dem Porträt aussehe wie eine Nonne?«
»Aber nein«, antwortete ihr Vater schon versöhnlicher. »Das wäre nicht in der Tradition unseres Hauses. Lass dir morgen Maß nehmen.«
|36| 4.
Sandro Botticelli war aus dem Dom in seine Werkstatt zurückgekehrt. Er fand Francesco vor der Leinwand mit dem Bild der Kreuzigung, an dem er sorgfältig einzelne Pinselstriche anbrachte. Wie Boticellis andere Gehilfen fertigte Francesco nicht nur eigene Porträts an, sondern arbeitete auch mit an den Bildern des Meisters.
»Schön, das du so fleißig bist«, meinte Botticelli. Sein Gesicht war sorgenvoll zerfurcht. »Es ist vielleicht gut gewesen, dass du früher gegangen bist. Stell dir vor, die
Compagnacci
haben noch die Kanzel gestürmt und gedroht, Savonarola zu verprügeln. Erst die herbeigerufenen Signori konnte wieder Ordnung schaffen. Oder sollte ich sagen: Schade, dass du so früh gegangen bist, du hättest unsere Sache verteidigen müssen. Stehst du überhaupt noch auf unserer Seite, Francesco?«
»Du weißt, wie ich über den Gottesstaat denke, Sandro. Der Papst ist ein Simonist, er ist bestechlich und einer der größten Sünder vor dem Herrn. Bekämpft Savonarola, sieht sich in seinen Pfründen und der Vetternwirtschaft bedroht. Ich stehe zu unserer Sache, Sandro. Unsere Stadt war ein Sündenpfuhl, bevor Savonarola die Führung übernommen hat. Papst Alexander VI. hat sieben Kinder gezeugt und predigt Enthaltsamkeit!« Er stockte. »Nur eines gefällt mir nicht so recht.«
Botticelli hob seinen Kopf.
»Was gefällt dir nicht, mein Freund?«
»Deine Bilder haben sich verändert, du hast dich verändert, seit du Savonarola anhängst.«
»Was willst du damit sagen?«
»Ich kenne deine frühen Bilder, Sandro. Sie sind erfüllt von einem feinen Duft der Sinnlichkeit, sie erzählen vom Leben, seinen |37| Allegorien und Schönheiten. Auch später hast du noch so gemalt, als seiest du der Welt zugewandt. Das Letzte war die Erniedrigung des Malers im Tempel. Hast du dich damit vielleicht ein wenig selbst gemeint?« Francesco bemerkte, dass Botticelli zusammenzuckte.
»Ich habe damit die Unterlegenheit der Sinnlichkeit gegenüber der Liebe Gottes darstellen wollen«, sagte er ausweichend.
»Aber was ist aus dieser Sinnlichkeit geworden, Sandro? Hast du alles, was du einmal empfunden
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