Die Hure Und Der Moench
Bild und habe mir insgeheim gewünscht, diese Frau in meinen Armen zu halten«, fuhr er fort.
»Das sind sündige Gedanken, Tomasio, überlege dir gut, was du sagst«, zischte Domenian.
Tomasio warf Domenian einen wütenden Blick zu.
»Ich bin es leid, mich von dir wie ein Kind behandeln zu lassen«, schnaubte er. »Bin ich nicht für dich mit dem Bild herumgereist, um seinen Wert schätzen zu lassen?«
»Das habe ich nicht von dir verlangt«, gab Domenian zurück. »Du solltest es nur für mich verwahren. Und wo sonst als bei dir wäre es in Sicherheit gewesen? Geh jetzt und vergiss, dass wir uns je begegnet sind.«
Tomasio stemmte die Hände in die Hüften.
»Ja, das Bild war bei mir in Sicherheit«, schimpfte er. »Aber es hätte mich Kopf und Kragen kosten können!«, fuhr er fort. »So leicht kommst du mir nicht davon, Domenian. Ich habe nichts gesagt, als du Fredi erstochen hast! Ich habe dir verraten, wo Matteo weilte! Ich habe die Gräfin Scroffa für dich aus dem Weg geräumt! Ich habe alles für dich getan, und so willst du es mir jetzt lohnen? Ich werde mir das nehmen, was mir zusteht.«
Tomasio machte einen Schritt auf Angelina zu. Er fuhr mit den Fingern die Konturen ihres Halses entlang. Angelina wand sich, aber sie konnte sich nicht von der Stelle rühren. Tomasio strich über ihre Brüste, zeichnete ihre Kontur nach, so wie sie auf dem Porträt zu sehen waren. Er seufzte. Angelina hörte einen Laut, wie |417| ihn ein Hund ausstoßen würde, der seine Beute erspäht hat. Dann ein Krachen, als wenn Knochen splitterten. Es wurde dunkel. Der Körper Tomasios fiel auf sie herab, so dass sie glaubte zu ersticken. Sie konnte sein Lid an ihrer Wange zucken spüren. Etwas Warmes lief ihr Gesicht hinab.
Eine Weile herrschte Schweigen. Angelina merkte, dass Tomasio noch atmete. Das Licht wurde wieder angezündet. Angelina erschrak über Domenians Anblick. Sein Gesicht war aschfahl, seine Augen lagen tief in den Höhlen. Die Lampe zitterte in seiner Hand.
»Ich dulde keine Sünde mehr, jetzt, wo mein geliebter Herr nicht mehr ist, weniger denn je!«, schrie er. Er stellte die Lampe auf den Boden und wälzte Tomasio von Angelina herunter. Sie wagte kaum zu atmen. Tomasio lag neben ihr und stöhnte. Domenian zog einen Gegenstand aus seiner Kutte. Es war eine Puppe aus Wachs, ohne Augen, ohne Mund, ohne Arme und Beine. Domenian band Angelina die Handfesseln los und reichte ihr eine Nadel. Er gab ihr die Puppe in die Hand, und dann verband er ihr mit einem Tuch die Augen.
»Diese Nadel musst du jetzt in das Herz dieser Puppe bohren, damit Tomasio von seinen Sünden befreit wird«, sagte er.
»Ich kann es nicht«, flüsterte Angelina.
»Dann wirst du gleich meinen Dolch spüren.«
Angelina fühlte das kalte Metall an ihrem Hals.
Sie nahm die Nadel und stach sie an die Stelle, an der sie das Herz vermutete. Gleich darauf hörte sie einen Schrei und ein Gurgeln. Domenian nahm ihr das Tuch wieder ab. Tomasio war in sich zusammengesunken, seine Augen waren verdreht.
»Siehst du, du hast ihn erlöst«, sagte Domenian dumpf. Etwas explodierte in Angelinas Kopf.
Er hatte unrecht.
Sie war keine Hexe. Er war es, der verrückt war. »Ich habe ihn nicht getötet«, sagte sie langsam, jede Silbe betonend. »So wenig, wie ich damals deinen Bruder getötet habe. Du hat mir diese Schuld nur eingeredet und ich habe sie getragen, mein Leben lang!«
|418| »Du bist eine Hexe, Angelina, daran führt kein Weg vorbei. Und da nur ich darum weiß, bin auch ich es, der dich richten wird.«
Francesco dachte angestrengt nach. Dabei rieb er sich die Stirn.
»Wir müssen jetzt einen kühlen Kopf bewahren«, sagte er. »Jede Stunde, die wir mit der Suche verbringen, kann Angelinas letzte sein. Es nützt nichts, wenn wir von einem Ort zum anderen eilen und irgendwelchen Mutmaßungen nachgehen. Wo könnte alles angefangen haben?«
»Auf jeden Fall schon vor dem Fest auf dem Landgut«, erwiderte Lucas.
»Wir müssen erfahren, was damals vor der Entführung Angelinas geschah.«
»Wer könnte uns darüber Auskunft geben?«, fragte Botticelli.
»Nur Angelinas Eltern«, antwortete Francesco. Er schlug sich an den Kopf. »Dass ich nicht früher darauf gekommen bin! Wir müssen sofort zu ihnen!«
»Ich begleite dich«, meinte Lucas.
Sie eilten zum Stadthaus der Girondos. Auf ihr Klopfen wurden sie sogleich eingelassen. Der Diener führte sie ins
Primer Piano
, wo Signora Girondo sie mit rotgeweinten Augen empfing. Signor
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