Die Hure Und Der Moench
Vor einem Jahr wurdet Ihr doch von der Signoria in Florenz zu der Familie Girondo gerufen, weil es einen Todesfall gegeben hatte.«
»Woher wisst Ihr das?« Der Mann wirkte verlegen.
»Ich war selber dabei. Ist Euch irgendetwas aufgefallen?«
»Ich kann mich nicht mehr erinnern«, gab der Mann zurück.
»Was sagte Signor Girondo zu Euch?«, fragte Francesco.
»Er sagte, es seien Wegelagerer gewesen, die Signor Fredi erstochen hätten. Der Tote lag auf dem Weg zum Haus.«
»Dann habt Ihr keinen von den Gästen gesehen?«
»Nein, ich kam ja erst am nächsten Tag. Doch wartet.« Er kratzte sich am Kopf. »Meine Frau sagte mir, jemand habe am selben Abend, bevor die Teilnehmer des Festes abreisten, sein Gewand im Bach gewaschen. Sie war noch einmal hinausgegangen, um nach dem Wetter zu sehen.«
»Warum habt Ihr das nicht gemeldet?«
»Ich maß dem keine Bedeutung bei. Und jetzt muss ich weiter.
Buongiorno.
«
Francesco kehrte zu seinem Pferd zurück, stieg auf und machte sich auf den Rückweg nach Florenz. Je näher er der Stadt kam, desto mehr trieb er sein Pferd an. Angenommen, es war dieser Mönch gewesen, der Fredi erstochen hatte. Er musste unbedingt mit den Mönchen von San Marco sprechen.
So schnell es ging, ritt er zum Kloster hin. Der neue Prior, ein untersetzter Mann, empfing ihn, nachdem Francesco an der Pforte ein dringendes Anliegen gemeldet hatte.
»Herr Prior, gab oder gibt es bei Euch einen Mönch, der häufig abwesend war?«, fragte er geradeheraus.
Der Prior legte die Stirn in Falten.
»Ich darf Euch über meine Brüder keine Auskunft geben«, meinte er.
»Es geht um Leben und Tod, Herr Prior«, rief Francesco. »Jemand wird sterben, wenn ich diesen Mönch nicht finde!«
»Gott wird mir verzeihen, wenn ich eine Sünde begehe«, sagte |409| der Prior. »Der Priester Domenian Brenetto war häufig abwesend, um die
Fanciulli
zu beaufsichtigen und im Dom die Beichte abzunehmen.«
»Habt Dank«, meinte Francesco, »das hilft mir schon ein ganzes Stück weiter. Kann ich auch noch die Zelle dieses Priesters sehen?«
Der Prior verdrehte die Augen zum Himmel.
»Auch diese Bitte werde ich Euch noch gewähren, dann geht mit Gott und rettet, was noch zu retten ist.«
Francesco folgte ihm durch den Kreuzgang. Aus der Kirche drang der Gesang der Mönche. Der Prior öffnete eine der Zellentüren und ließ Francesco eintreten. In dem Raum befanden sich nur eine Matratze und ein Kruzifix. An der Wand war das Fresko ›Noli me tangere‹ von Fra Angelico angebracht. Hier also hatte Domenian gelebt, mit diesem Bild vor Augen. Was mochte in dem Priester vorgegangen sein? Wenn er die Beichte im Dom abgenommen hatte, dann hatte auch Angelina ihm gebeichtet. Francesco erinnerte sich genau, dass sie ihm davon berichtet hatte. Und dieser Mann war mit Gewissheit der Mörder und hatte nun Angelina in seiner Gewalt!
»Wie stand Domenian zu Savonarola?«, fragte Francesco den Prior.
Der Prior räusperte sich.
»Er war ihm sehr ergeben. Vielleicht zu sehr. Immer wieder sprach er davon, dass er die Sünde bekämpfen und ausrotten müsse.«
Francesco beugte sich vor und musterte das Bild genauer. Das Gesicht Maria Magdalenas war zerkratzt!
Noli me tangere
, Maria Magdalena war eine Sünderin gewesen, doch Christus hatte sie zu sich genommen. Domenian in seiner Verblendung dagegen wollte alles, was er für sündig hielt, vernichten.
»Wir machen uns große Sorgen um Domenian«, hörte er den Prior sagen.
»Nachdem unser Herr Savonarola … dem Feuer übergeben worden war, haben wir ihn nicht mehr zu Gesicht bekommen. Hoffentlich hat er sich nicht etwas angetan!« Er bekreuzigte sich.
|410| »Ich bin Euch zu großem Dank verpflichtet«, antwortete Francesco. »Ich werde Domenian suchen, und ich werde ihn finden, das verspreche ich Euch.« Er küsste den Ring des Priors und ließ sich von einem Novizen hinausgeleiten.
Auf der Piazza San Marco ging das Leben seinen Gang.
Francesco lief erneut grübelnd durch die Straßen, bis er zum Laden von Lucas und Sonia gelangte. Beide bedienten gerade Kunden und warfen ihm einen sorgenvollen Blick zu. Als der letzte Kunde den Laden verlassen hatte, bestürmten sie ihn sogleich mit Fragen.
»Du hast sie nicht gefunden, nicht wahr?«, fragte Sonia mit schmerzlich verzogenem Gesicht.
»Hast du wenigstens eine Spur entdeckt?«, folgte Lucas und zwirbelte seinen Schnurrbart.
»Mutter Elisa und ihre Nonnen haben mit mir die Weinberge abgesucht, ohne Ergebnis. Von dem
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