Die Hure Und Der Moench
Kapuze des Mantels war verrutscht. Ob Francesco sich würde befreien können? War er allein gekommen? Als hätte er ihre Fragen gehört, drehte Domenian sich auf dem Bock um. Das Pferd suchte sich weiter seinen Weg zwischen den Rebstöcken.
»Weißt du nun, wie es sich anfühlt, wenn man zu seiner Hinrichtungsstätte gebracht wird?«, fragte er mit ausdruckslosem Gesicht.
|424| »Was hast du vor, Domenian?«
»Ich werde mit dir Hochzeit feiern, Angelina. Das ist uns nun so lange verwehrt worden.« Mit Erschrecken stellte Angelina fest, dass dieses Gesicht sie nicht nur mit Widerwillen erfüllte, sondern gleichzeitig eine Anziehung auf sie ausübte, die sie sich nicht erklären konnte. Hatte sie noch Züge seines Bruders in ihm gefunden, des ersten Jungen, der ihr Herz anrührte, oder war es etwas anderes? Hatte Francesco diese Seite in ihr erkannt, als er das Porträt von ihr malte? War Domenian deshalb so versessen darauf, das Bild zu vernichten, gleichzeitig aber auch darauf, es zu besitzen?
»Wie willst du unsere Hochzeit feiern, Domenian?«, fragte sie in scheinbar unterwürfigem Ton.
»Wir werden noch einmal zusammen fliegen, und am Ende dieses Fluges wirst du die meine sein.«
Angelina schauderte. Würde sie noch einmal dem Obersten widerstehen können? War sie nicht von Grund aus so verderbt, dass sie eine leichte Beute des Teufels werden würde, ganz egal, was Francesco von ihr glaubte? Angelina nahm ihre ganze Kraft zusammen, um die nächste Frage zu stellen.
»Was geschieht nach der Hochzeit? Werden wir zusammenleben?«
Domenian hatte den Wagen inzwischen angehalten und wandte sich ihr zu. Er strich sich mit der Hand über das Gesicht, um es wieder in die Gewalt zu bekommen.
»Ich liebe dich, Angelina, habe dich immer geliebt. Als ich dich das erste Mal sah, warst du kein Kind mehr. Du hast etwas in deinen Augen gehabt, etwas Sündiges, das es einem Mann leicht machte, sich in dich zu verlieben und dich zu begehren.«
»Aber ich war mir dessen nicht bewusst«, wandte Angelina ein.
»Das ist es ja gerade! Kinder, Frauen und Mädchen sind sich dessen nie bewusst, wenn der Dämon in sie einfährt. Ich habe lange gewartet und dich beobachtet. Heute noch will ich mit dir Hochzeit halten und dir den Dämon endgültig austreiben.«
»Warum hast du deinen Bruder getötet, Domenian?«
|425| »Weil du ihn verhext hattest!« Die Worte kamen schnell wie Backpfeifen.
»Ich war keine Hexe«, sagte Angelina, »aber du hast mich dazu gemacht. Warum hast du mich damals entführt? Ich war doch noch ein Kind!«
»Da täuschst du dich, Angelina«, kam es zurück. »Du warst kein Kind mehr, du warst zwölf Jahre alt, hattest schon einen richtigen Busen. Dass du neun Jahre alt gewesen seist, haben deine Eltern erfunden. Ihnen war der Gedanke, ihr Kind könne von einem bösen Mann verschleppt worden sein, lieber als der, dass du mich verführt hättest.«
Angelina fiel das Gespräch mit Domenians Mutter wieder ein, die Finger, an denen sie die Jahre abzählte. Da hätte sie schon erkennen können, dass Domenian der Täter war! »Und sie haben den Mantel des Schweigens darübergebreitet«, sagte Angelina bitter.
»Das war auch besser für dich, Angelina, denn in dem Alter hättest du das Wissen darum, eine Hexe zu sein, nicht verkraftet. Es musste erst reifen bis zum heutigen Tag.«
»Ich bin keine Hexe und auch keine Hure«, entgegnete Angelina verzweifelt. »Das hast du mir nur eingeredet, Domenian.«
Sein Gesicht zuckte, es verzerrte sich zu einer Grimasse.
»Nein, ich weiß es und ich spüre es, Angelina«, stieß er hervor. »Du hast immer Gewalt über mich gehabt, über alle Männer, die dir begegnet sind.«
Warum sollte sie sich länger mit ihm streiten? Sollte er es doch glauben. Viel wichtiger war es jetzt, dieser aussichtslosen Lage zu entkommen.
Domenian hatte sich wieder umgedreht und trieb das Pferd an.
»Glaube nicht, dass dein Freund dich retten wird«, sagte er laut vor sich hin. »Ich habe ihn ausgeschaltet.«
Francesco hustete abermals. Der Rauch, der in den Keller drang, wurde immer dichter. Er musste hier raus, so schnell wie möglich! Was würde Domenian mit Angelina anstellen? Mit aller Anstrengung |426| arbeiteten sich seine Hände zu seinem Messer vor. Hoffentlich hatte Domenian es ihm nicht abgenommen. Seine Hände sanken zurück. Er wälzte sich auf den Bauch, um der immer stärker werden Hitze und dem Rauch zu entgehen. Doch es war kein Entkommen möglich. Endlich bekam er das
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