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Die Hure Und Der Moench

Die Hure Und Der Moench

Titel: Die Hure Und Der Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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anscheinend nichts von ihr erzählt. Und wahrscheinlich fragte der berühmte Maler auch nur aus Höflichkeit. Angelina räusperte sich. Was sollte sie ihm sagen? Dass ihre Eltern sie verstoßen hatten? Dass sie von zu Hause geflohen war? Dann würde er sie gewiss verachten und nichts mehr mit ihr zu tun haben wollen.
    »Meine Eltern schicken mich aufs Land, weil der schwarze Tod wieder ausgebrochen ist«, sagte Angelina und merkte, dass sie nicht einmal rot wurde. Irgendwie war das ja gar keine Lüge. Ihre Eltern, ihre Geschwister, die Mägde und Bediensteten befanden sich wohl schon auf dem Landhaus bei Fiesole. Einen Augenblick lang traten ihr die Tränen in die Augen. Warum hatte alles so kommen müssen? Wie gern wäre sie jetzt bei ihnen gewesen! Stattdessen fuhr sie mit einem fremden Maler zu einer Familie, die sie nicht einmal kannte und von der sie nicht wusste, ob sie eine junge Frau wie sie ohne Vorbehalte aufnehmen würde. Glücklicherweise hatte Francesco ihr ein Empfehlungsschreiben mitgegeben. Botticelli wandte Angelina den Löwenkopf mit den hellen Augen zu.
    |65| »Der schwarze Tod kommt und geht auch wieder« meinte er. »Er macht vor niemandem Halt, egal welchen Standes er ist.« Der Maler blickte zu den Weinbergen hinüber, die im Sonnenglanz vorbeizogen. Dann wandte er ihr sein etwas müdes Gesicht zu.
    »Ich sollte in meinem Leben noch einen Totentanz malen«, sagte er, mehr zu sich selbst.
    »Ihr habt wunderbare Bilder gemalt«, sagte Angelina. »Mein Vater hat sie mir im Palazzo der Medici gezeigt. Ihr habt sie doch für Lorenzo de’ Medici und seine Familie gemalt, nicht wahr?«
    »Ja, das habe ich«, entgegnete er. Ein Glanz kam in seine Augen. »Meine Muse.«
    »War … sie es?«
    »Sie war es!«, kam es aus dem Maler heraus. »Sie war die schönste Frau, die jemals in Florenz gelebt hat! Wenn nicht sie es war, die mich dazu gebracht hat, die ›Venus‹ und den ›Frühling‹ zu malen, wer sollte es sonst gewesen sein? Als sie die Schwindsucht bekam, war ich untröstlich, die ganze Stadt war untröstlich. Den endlosen Trauerzug führten
Lorenzo il Magnifico
und sein Bruder Giuliano an.« Botticelli holte ein Taschentuch aus seinem Rock und schnäuzte sich. »Das war 1476. Es gab ein Turnier zur Feier des Friedens zwischen Mailand, Venedig und Florenz – die Farben der Simonetta Vespucci, der Unvergleichlichen, habe ich auf ein Banner gemalt, mit ihrem Abbild als Göttin Athene. Der Hofdichter, genannt Poliziano, verfasste ein Versepos, das die Liebe zwischen dem Medici-Prinzen Giuliano und der Tochter des Vespucci feierte. Der arme Giuliano hat mich nach ihrem Tod so gedauert, dass ich ihm ein Bildnis von ihr geschenkt habe.«
    Angelina hatte Botticelli gebannt zugehört. Es war ihr, als wären die Hügel grüner, die Wiesen saftiger, die Blumen schöner geworden. Doch nein, es gab vereinzelt auch verbrannte oder verlassene Gehöfte und Dörfer. Ab und zu begegneten ihnen Reisegruppen, die abgerissen und schmutzig waren. Söldner!, fuhr es Angelina durch den Kopf.
    »Ach, und das ist jetzt vorbei, aber nicht vergessen«, seufzte Botticelli. » |66| Ich bin ein alter Mann von mehr als fünfzig Jahren, doch sie ist immer da, bei jedem Pinselstrich, den ich führe!«
    »Ihr liebt sie immer noch«, sagte Angelina erstaunt. Das war jetzt über zwanzig Jahre her!
    »Gott hat sie mir gegeben, und er hat sie mir genommen. Seid froh, dass Ihr noch am Anfang Eures Lebens steht, Angelina! Mit Francesco habt Ihr einen Maler, in dem sehr viel steckt!«
    »Ja, er hat ein großes Talent«, meinte sie ausweichend.
    »Nur mag ich nicht, dass er sich so sehr den weltlichen Dingen zukehrt«, versetzte der Maler. »Ich hatte meinen Traum von der Sinnlichkeit des Lebens mit meiner Muse begraben. Und dann trat Savonarola in mein Leben. Mein Bruder Simone hat sich ihm mit Haut und Haaren verschrieben. Die Ideen des Priors haben mich sehr ergriffen, auch wenn ich mich nicht öffentlich zu ihm bekenne. Nun lebt meine Simonetta auf eine andere, eine geistige Art, in meinen Bildern weiter. Ihr erinnert mich ein wenig an sie, Signorina Angelina. Und wenn der Gottesstaat eingeführt ist, werden diese Bilder zu dessen Ruhm beitragen.«
    Angelina wollte widersprechen, hielt sich aber zurück. Warum den Maler nicht in seinem Glauben lassen, dass Savonarolas Macht noch ungebrochen sei? Aber sie war ergriffen von der Liebe, die dieser Maler seiner verstorbenen Geliebten entgegenbrachte. Würde sie selber je solche Liebe

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