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Die Hure Und Der Moench

Die Hure Und Der Moench

Titel: Die Hure Und Der Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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    In der Ferne tauchte ein Dorf auf der Spitze eines Hügels auf. Als sie näher kamen, wehte ihnen der Duft von blühenden Linden entgegen. Vor den Häusern standen Kübel mit Rosen und Salbei. Botticelli wies auf ein stattliches Haus oben auf dem Hügel.
    »Der Besitz der Scroffas«, meinte er. »Ich werde die Familie begrüßen und Euch bei ihr einführen.«
    Die Kutsche fuhr einen Weg bergan, der sich durch Wiesen voller Margeriten wand, und hielt vor einem prächtigen Haus, das aus Natursteinen der Gegend erbaut war. Im Garten stand ein Springbrunnen, die Beete waren mit Buchsbäumchen gesäumt. Magnolien und Zypressen spendeten Schatten. Ein Diener trat auf die |67| Terrasse, begrüßte die beiden höflich und fragte nach ihrem Begehr.
    »Ich bin Sandro Botticelli, Maler aus Florenz, und dies ist Angelina Girondo, die mit einer Empfehlung von Francesco Rosso hierherkommt.«
    »Oh, ich bitte höflichst um Vergebung, dass ich Euch nicht gleich erkannt habe, Signor Botticelli. Ihr wart ja schon öfter zu Gast im Hause Scroffa«, sagte der Diener, machte eine Verbeugung und zog sich ins Haus zurück. Gleich darauf erschien die Frau des Hauses. Ihre hochgewachsene Erscheinung wurde unterstrichen durch das leichte, gelbliche, perlenbestickte Kleid, das sie trug. Die blonden Haare waren aufgesteckt und zum Teil mit einem glänzenden Netz bedeckt. Sie reichte Angelina und Botticelli ihre feingliedrige Hand, die mit Saphirringen geschmückt war.
    »Willkommen auf unserem Familiensitz in Grassina«, sprach sie mit einer warmen Stimme. »Wie geht es meinem Vetter Francesco?«
    »Der ist gerade mit einem ganz besonderen Konterfei beschäftigt«, entgegnete Botticelli. »Nämlich mit dem der Signorina Angelina, die hier neben mir steht.«
    »Ach, wie schön«, meinte die Gräfin und schaute Angelina einen Moment in die Augen. Täuschte Angelina sich oder waren ihre Pupillen für einen Augenblick enger geworden? Angelina übergab der Gräfin das Empfehlungsschreiben von Francesco. Signora Scroffa warf einen kurzen Blick darauf.
    »Kommt herein«, sagte sie und machte eine einladende Handbewegung. »Wollt Ihr nicht das Mittagessen mit uns einnehmen, Signor Botticelli? Wir sind gespannt auf Nachrichten aus der Stadt!«
    »Leider muss ich Euch enttäuschen, Signora Scroffa«, gab der Maler zurück. »Ich muss weiter nach Rom, habe schon viel zu lange gesäumt. Aber Signorina Angelina wird Euch gewiss einiges berichten können.«
    »Habt Ihr kein Gepäck?«, fragte die Gräfin Angelina.
    »Es wird mir nachgeschickt, in ein bis zwei Tagen«, sagte Angelina ausweichend. Sie überlegte krampfhaft, was sie der Gräfin |68| sagen sollte, wenn sie nach dem Grund ihres Hierseins fragte. Gerade begann sie sich etwas zurechtzulegen, als ein Junge von etwa fünf Jahren und ein zehnjähriges Mädchen auf die Terrasse gestürmt kamen. Ihre Gesichter waren rot von der Hitze.
    »Wer ist das?«, fragte der Kleine und zeigte mit dem Finger auf Angelina.
    »Das tut man nicht, Giacomo!«, entrüstete sich seine Mutter und schlug ihn auf die Hand. Er begann zu weinen, was seine Schwester dazu veranlasste, ihn in den Arm zu nehmen.
    »Giacomo und Lisetta, ihr geht jetzt hinein und wascht euch die Hände, es gibt bald Mittagessen. Diese junge Frau ist Angelina Girondo aus Florenz, eine Freundin von Francesco.«
    »Francesco, Francesco«, rief Giacomo. »Er soll herkommen und mit uns malen!«
    »Er wird kommen, das hat er versprochen«, gab Angelina zurück. Sie merkte, dass sie damit die Herzen der Kinder gewonnen hatte.
    Botticelli verabschiedete sich, stieg wieder in den Wagen, gab dem Kutscher ein Zeichen, und schon war Angelina allein. Eine Dienerin zeigte Angelina ihr Zimmer, ein geräumiges Gemach mit einem schmiedeeisernen Bett, einer bemalten Holztruhe und bunten Teppichen. Angelina trat ans Fenster. Der Blick ging über Weinberge, die im Glanz des Nachmittags lagen, zu den fernen Wäldern der ›metallischen Berge‹. Wie viel von dem, was geschehen war, konnte sie dieser Familie verraten?
    Angelina legte sich auf das Bett, ihre Gedanken bei Francesco, ihren Eltern und Geschwistern, Sonia und Lucas, auch Botticelli. Kurz bevor sie in einen unruhigen Schlaf fiel, erinnerte sie sich wieder an den Mord und an den Mann, der sie so erschreckt und bedroht hatte. Wenn sie diesen Mann nur finden konnte, bevor noch Schlimmeres geschah! Aber wie? Angelina schrak hoch, als es an der Tür klopfte. Es war die Dienerin, die einige

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