Die Hure Und Der Moench
die durch die Via Nuova rumpelten. Es war Anfang Juni und versprach ein heißer Tag zu werden. Francesco hatte seinen Meister wohl schon unterrichtet, denn als Angelina die Küche betrat, begrüßte Botticelli sie höflich.
»Ich hoffe, Ihr bekommt bald eine gute Unterkunft«, sagte er und biss in ein Stück Kuchen. »Ich fahre heute nach Rom. Francesco hat mir mitgeteilt, dass Ihr zum Landgut seiner Base wollt. Ihr könnt mit mir fahren.«
Er versank wieder in Schweigen und schaute mit einem Blick vor sich hin, als suche er nach einer Antwort auf eine Frage, die ihm viel Kopfzerbrechen bereitete. Die anderen Gesellen und Lehrlinge kamen herein, ließen sich am Küchentisch nieder, griffen nach Brot, Kuchen und Würzwein. Sie unterhielten sich lebhaft über ihre Aufträge, über bestimmte Farbmischungen und die politischen Ereignisse in der Stadt.
»Savonarola soll gar nicht mehr so angesehen sein«, meinte einer. »Der Papst hat ihn exkommuniziert, das ist jetzt allgemein bekannt. Dann dürfen wir aber nicht mehr zu seinen Predigten gehen, sonst werden wir ebenfalls aus der Kirche rausgeworfen!«
»Schäm dich!«, fuhr Botticelli auf. Sein gewichtiger Körper bebte, seine sorgfältig gepflegten Locken leuchteten rot im Schein eines Sonnenstrahls, der sich durch das Fenster stahl.
»Wie kannst du«, er wandte sich an alle, »wie könnt ihr unseren Meister gerade jetzt in dieser schweren Zeit im Stich lassen? Er und das, was er im Begriff ist zu errichten, braucht all unsere Kraft, auch |63| und gerade unsere künstlerische Gabe, um das Wort Gottes in unserer Stadt wahrhaftig werden zu lassen!«
»Aber ich …«, kam es von dem Getadelten.
»Du brauchst nichts mehr zu sagen!«, fuhr ihn der Maler abermals an. Alle schwiegen betroffen. Eine Magd kam herein und räumte das Geschirr ab.
»Kommt in einer halben Stunde vors Haus«, sagte Botticelli, zu Angelina gewandt. »Ich mache mich noch reisefertig.«
Vor der Tür stand eine elegante, hochrädrige Kutsche mit zwei Pferden, die mit bunten Tüchern und Federn geschmückt waren. Der Kutscher, ein derber Bursche mit schwarzen, öligen Haaren, lehnte an seinem Gefährt und kaute auf einem Strohhalm. Angelina überquerte zusammen mit Francesco die Gasse, um sich von Lucas Bandocci zu verabschieden. Der Gemüsehändler wies den Händlern mit den frischen Waren die Plätze an. Als er die beiden erblickte, kam er mit ausgebreiteten Armen auf sie zu.
»Ihr brecht auf, wie ich gehört habe? Nehmt meine Segenswünsche mit auf die Reise! Und hier habt Ihr ein wenig Wegzehrung, Angelina.« Er überreichte ihr ein Körbchen mit getrockneten Weinbeeren, Trüffel-Pralinen und frühen Kirschen.
»Ich werde dafür sorgen, dass Ihr alles bekommt, was Ihr benötigt«, fuhr der Gemüsehändler fort. »Sonia wird Eure Sachen holen, und wir werden sie morgen nach Grassina bringen. Da wohnt doch deine Base, nicht wahr, Francesco?«
»Ja, sie wohnt im Sommer auf einem Hügel draußen vor der Stadt, die Glückliche«, gab Francesco zurück.
Botticelli kam mit einem ledernen Reisesack aus dem Haus, verabschiedete sich von den Umstehenden und kletterte auf den Rücksitz der Kutsche. Angelina setzte sich neben ihn. Der Maler war vornehm gekleidet, und selbst der Kutscher trug eine dunkelrote Samtkappe sowie Wams und Mantel aus edlen Stoffen. Lucas winkte zum Abschied und rief: »Ich möchte Euch gesund und glücklich wiedersehen, Signorina!« Francesco trat zu ihr heran, nahm ihre beiden Hände in seine und meinte:
|64| »Ihr werdet mir fehlen!«
»Ihr mir auch, Francesco«, gab Angelina leise zurück. Der Händedruck war wie eine Umarmung für sie gewesen. Der Kutscher zog an den Zügeln, schnalzte, und die beiden Pferde, mit ihren wippenden Federbüscheln auf den Köpfen, setzten sich in Bewegung. Schnell fielen sie in einen leichten Trab. Angelina drehte sich nicht um, als sie die Via Nuova hinab zum Arno fuhren. Sie wollte alles so im Gedächtnis behalten, wie sie es eben gesehen und erlebt hatte.
»Ich komme bald nach, Angelina!«, rief Francesco ihr hinterher, aber er wusste nicht, ob sie ihn gehört hatte.
Es ging auf einer gepflasterten Straße am Fluss entlang. Hier war es kühler als in der Innenstadt, Frauen wuschen ihre Wäsche am Ufer, Möwen kreisten hoch in der Luft, als sei die Pest an der Stadt vorübergegangen.
»Was bewegt Euch, zu den Scroffas aufs Land hinauszufahren?«, fragte Botticelli, nachdem er eine Zeitlang geschwiegen hatte. Francesco hatte ihm
Weitere Kostenlose Bücher