Die Hure Und Der Moench
Gemüsehändler, und Sonia, meine Magd. Die beiden wollen mir morgen meine Sachen bringen.«
Matteo wischte sich mit einer Serviette den Mund ab, trank einen Schluck Wein und räusperte sich. »Savonarola ist an allem schuld«, sagte er. »Er hat nicht nur die Signoria mit seinen Anhängern besetzt, den Papst gegen sich aufgebracht und Familien zerrissen. Er ist auch schuld an allem, was uns jetzt widerfährt. Würde mich nicht wundern, wenn er hinter den Anschlägen auf Euch steckt, Angelina. Und der schwarze Tod ist zwar eine Strafe Gottes, aber nicht wegen unserer Sündhaftigkeit, sondern wegen der Vermessenheit, mit der Savonarola seine Herrschaft begründet.«
Die Dienerin kam abermals herein und räumte den Tisch ab. Alle schwiegen. Angelina hörte eine Hummel brummen. Die Dienerin verschwand im Haus, kehrte mit dem Nachtisch zurück. Angelina holte tief Luft. Nachdem das Mädchen außer Hörweite war, sagte sie leise:
»Aber warum sollte Savonarola meinen künftigen Gatten ermorden?«
»Ermorden lassen«, ergänzte Matteo.
»Und warum sollte er mich auf offener Straße bedrohen?«
»Ich glaube«, Matteo lehnte sich zurück, »dass der Maler Botticelli eine Schlüsselfigur ist. Er hat sich dem Einfluss des Mönchs so sehr verschrieben, dass er selbst seine Malerei verändert hat.«
»Aber Botticelli hat sicher nichts Böses getan.«
»Nein, auf keinen Fall. Aber der Mörder hat gewiss religiöse Gründe, aus denen heraus er handelt. Ihr solltet Euch auf jeden Fall vorsehen. Wir geben Euch Schutz, das ist keine Frage, aber wir wollen natürlich auch keine Unruhe hier. Vielleicht könnt Ihr auch bald zu Euren Eltern zurückkehren.«
»Ich werde mich in Acht nehmen«, versicherte Angelina. »Und ich danke Euch, dass Ihr mich aufnehmen wollt.«
Eleonore lächelte ihr kühl zu, und Matteo gab den Kindern ein Zeichen, dass die Tafel aufgehoben sei. Lachend tollten sie durch den Garten. Von Süden her kam ein leichter Wind auf und milderte |76| die Hitze, die über den Bergen waberte. Angelina begab sich mit den Eheleuten ins Haus.
Im Nebenzimmer wurde noch etwas Konfekt angeboten, dann zog sie sich in ihr Zimmer zurück. Am Nachmittag machte sie sich zu einem Spaziergang auf. Begleitung lehnte sie ab, sie wollte mit ihren Gedanken allein sein. Sie solle sich aber nicht zu weit vom Haus entfernen, mahnte Signora Scroffa. Die Sonne stand schon recht tief, doch hatte sich die Wärme in den Hohlwegen zwischen den Weinbergen gesammelt. Schmetterlinge gaukelten umher, es roch nach Heu und Erde. Ein klammes Gefühl breitete sich in Angelina aus, das sie sich angesichts der Schönheit der Landschaft nicht erklären konnte. Frauen säuberten die Plätze zwischen den Reben, die mit abgefallenen Blütenständen bedeckt waren. Angelina dachte an das, was in der letzten Zeit geschehen war.
Aber so sehr sie die Ereignisse auch drehte und wendete, sie kam zu keinem Schluss, was die Ursache dafür gewesen sein mochte. Warum fühlte sie sich dann schuldig an Fredis Tod? Sie hatte ihn doch bloß nicht heiraten wollen. Mit Sehnsucht dachte sie an Francesco. Sie vermisste ihre Familie. Wie es wohl ihren Geschwistern erging? Vielleicht könnte sie ja anbieten, die Kinder der Scroffas zu unterrichten.
Inzwischen hatte sie die Kuppe eines Berges erreicht, die mit Flaumeichen und Buchen bestanden war. Hier herrschte eine dämmerige Stille. Ein Bussard schrie in der Höhe. Hinter ihr knackte es im Gehölz. Angelina fuhr herum. Da war nichts, wahrscheinlich ein Igel oder eine Maus. Sie begann, den Weg auf der anderen Seite des Berges hinunterzugehen. Wieder ein Rascheln, das Geräusch von schlurfenden Schritten im trockenen Laub. Abermals drehte sie sich um. Eine alte Frau stand da wie angewurzelt, wie aus dem Nichts herbeigeflogen. Graue Strähnen umrahmten ihr braunes, faltiges Gesicht.
»Heda«, rief Angelina. »Wer seid Ihr, und wohin wollt Ihr?«
»Habt keine Angst, Signorina«, sagte die Alte und näherte sich. Sie zog ein Bein nach. »Ich bin nur eine
Zingana
, eine Zigeunerin, |77| die nach Pilzen und essbaren Wurzeln sucht. Mein Stamm lagert am Fuße dieses Berges. Morgen ziehen wir weiter.«
»Ihr habt mich erschreckt«, entgegnete Angelina atemlos.
»Es gibt auch allen Grund, in diesen Zeiten zu erschrecken«, fuhr die Alte fort.
»Wie meint Ihr das?«
»Savonarola, der machtgierige Mönch, hat uns aus der Stadt vertrieben. Wir seien gottlose und vom Teufel besessene Geschöpfe.« Die Alte kicherte. »Zur Strafe
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